Die Marienkirche in Stargard in Pommern

Dietrich Otto
dietrichotto@arcor.de

Mai 2005

Wahrscheinlich ist das Buch von Joachim Stampa die beste Quelle zur Beschreibung der Marienkirche. Auf 100 Seiten sind die bauliche Geschichte dargestellt und viele religiöse Aspekte erörtert. Den durchschnittlich Interessierten wird das wohl überfordern. So ist hier der Versuch unternommen, die wichtigsten Fakten unter Beibehaltung der Gliederung herauszugreifen.

MarienkircheMarienkirche

Marienkirche - von Westen aus gesehen

gezeichnet von Jürgen Willbarth

Marienkirche von Osten aus gesehen

gezeichnet von Joachim Stampa

Beide Darstellungen stammen aus der Zeit vor 1945. Das erkennt man u.a. an der jetzt nicht mehr vorhandenen Turmuhr.


Die 4 katholischen Jahrhunderte

Es ist anzunehmen, dass bereits vor 1292 eine Kirche oder Kapelle am Stargarder Marktplatz stand und diese 1292 beim Bau der eigentlichen Marienkirche abgetragen wurde. Es wurde mit Ziegeln im "Klosterformat" gebaut, 12 Zoll lang, 6 Zoll breit und 3 Zoll hoch. Um 1500 war die Kirche fertig und hatte etwa ihr jetziges Aussehen. Danach gab es keine Erweiterungen mehr, sondern nur noch Veränderungen. 1635 während des 30-jährigen Krieges und 1945 ist die Marienkirche abgebrannt. Die Restauration brachte bauliche Veränderungen mit sich, ebenso die notwendigen Großreparaturen 1819 und 1912. Die Bauphasen bis 1500 lassen sich am besten am Grundriss verfolgen. Als letzte Baumaßnahme erhielt die Kirche 21 Kapellen im Kirchenschiff und mindestens 27 Altäre. Um 1388 wirkte der bekannte Baumeister Hinrich Brunsberg an der Marienkirche, vor allem der Ausbau des Hohen Chors ist sein Werk.

Die Reformation

Mit der Reformation 1517 begannen 4 protestantische Jahrhunderte für die Kirchen in Stargard. Die Zeit der Messen, Altäre und Prozessionen mit ihrer Prachtentfaltung war vorbei. Auch die beiden Ordenshäuser St. Johann und St. Augustin wurden säkularisiert. Die Bautätigkeit wurde eingestellt, der Wille zur Pflege des Vorhandenen war vorübergehend geschwunden, einiges wurde zerstört. Erst 1534 setzte Bugenhagen, ein Freund Luthers, auf dem Pommerschen Landtag in Treptow an der Rega eine neue Kirchenordnung durch, die in Stargard mit Verzögerung befolgt wurde. Zweimal in dieser Zeit - 1540 und 1720 - wurde durch einen Sturm die Spitze des Nordturms abgerissen und auf den Markt geworfen. Insbesondre 1540 muss es ein gewaltiges Unwetter gewesen sein, denn zeitgleich wurde auch die Spitze der Johanniskirche abgebrochen.

Die Katastrophe von 1635 - Brand, Vernichtung, Wiederaufbau der Kirche

Die protestantischen Schweden verteidigten 1635 während des 30-jährigen Krieges Stargard gegen die katholischen Kaiserlichen. Dabei kam es zu einem Stadtbrand, der auch die Marienkirche schwer beschädigte. Die beiden Türme wurden zerstört, das Dach des Mittelschiffs und des südlichen Seitenschiffs. Die Gewölbe stürzten ein Jahr später ein und füllten das Kircheninnere mit Schutt und Trümmern. Trotz des bis 1648 währenden Krieges konnte die Kirche ab 1661 wieder genutzt werden. Die einzelnen Bauphasen auch über 1661 hinaus sind bekannt. So erhielt der Nordturm 1723 eine doppelte Barockhaube und damit sein jetziges Aussehen. 1741 wurde die große Marienkapelle repariert und erhielt statt eines Obergeschosses eine Haube. Jedoch geriet die Kirche um 1800 wieder in einen baulich bedenklichen Zustand, da sie nur genutzt, aber nicht in erforderlicher Weise gepflegt wurde. So erfolgte ab 1819 unter Leitung des Baumeisters Jüterbock eine Großreparatur, die insgesamt negativ bewertet wird. Loses Ziegelwerk wurde entfernt und nicht wieder restauriert. So gingen viele Verzierungen außen und im Kirchenraum verloren. Dasselbe gilt für die Inneneinrichtung.

Die Wiederherstellung durch Deneke 1905-1911 und die 34 Jahre bis zum 2. Brand 1945

Die Großreparatur von 1819 hat nicht lange vorgehalten, um 1900 befand sich die Kirche wieder in einem beklagenswerten Zustand, so dass eine weitere Großreparatur notwendig wurde, die von 1905-1911 unter Leitung von Heinrich Deneke durchgeführt wurde. Deneke leistete Hervorragendes, zwar konnte der originale Zustand von 1388 aus Geldmangel nicht hergestellt werden. Die Kirche wurde aber in einen künstlerisch wie baugeschichtlich sehr erfreulichen Zustand gebracht. So wurde die Marienkapelle nicht zweistöckig erneuert, sie behält ihre Barockhaube. Die Galerie um den Chor bleibt samt den sie  bekrönenden Schmuckgiebeln weg. Der Gedanke, beide Türme voll auszubauen wie in anderen deutschen Städten um diese Zeit scheiterte nicht nur am Geld, sondern auch daran, dass z. B. der Südturm Risse aufweist, die auf ein mangelhaftes Fundament hinweisen. Den 1. Weltkrieg hat die Kirche ohne Schäden überstanden.

Der 2. Weltkrieg, Brand von 1945; Annexion und Rekatholisierung durch Polen.

Anfang März 1945 wurde die gesamte Altstadt Stargard's zerstört und auch die Marienkirche wurde schwer beschädigt. Beide Türme waren ausgebrannt, die oberen Teile abgestürzt. Die Dächer der 3 Kirchenschiffe wurden beschädigt. Das Kircheninnere war nicht ausgebrannt. Die Witterung bewirkte, dass Teile der Gewölbe einstürzten. Die wertvollsten Dinge der Inneneinrichtung, u. a. die Orgel, wurden von den Russen abtransportiert. Es dauerte lange, bevor die Polen mit dem Wiederaufbau beginnen konnten. Dabei wurde im wesentlichen der bauliche Originalzustand wieder hergestellt.

Besichtigung im Mai 2005

Die verwendete Literaturquelle von Joachim Stampa endet 1975. Ein Besuch im Mai 2005 ergibt folgendes Bild: Beim Betreten der Marienkirche fällt sofort die bunte Bemalung der Pfeiler auf, das Gewölbe ist in Grautönen ausgemalt. Es bietet sich ein beeindruckendes Bild. Als etwas Besonderes wird immer herausgestellt, dass die Marienkirche ein Triforium besitzt. Guckt man vom Langschiff aus nach oben in den Chor, dann entdeckt man 27 Arkaden, gegliedert in 9 mal 3 Arkaden. Es sieht so aus, als ob 3 Arkaden immer von hinten einen gemeinsamen Eingang besitzen. Das muss das Triforium sein. In dem Chorumgang gibt es eine Empore. Ein großes buntes Fenster befindet sich über der Orgel zwischen den beiden Türmen.

Das Dach der Großen Marienkapelle ist mit hellroten Ziegeln neu gedeckt. Man muss Glück haben, um die Kapelle betreten zu können. Die Kapelle ist wieder eingerichtet. Ein Fenster hat bunte Glasscheiben, die anderen 3 und das Fenster zum Seitenschiff hin haben einfache Glasscheiben. Etwa 19 Streben schließen sich oben unter der Barockhaube zusammen. Die 1. Kapelle rechts von der Großen Marienkapelle weist offenbar auf ein Eisenbahnunglück am 5.5.1997 in der Umgebung von Stargard hin. Auffallend ist die 2. Kapelle links von der Großen Marienkapelle. Der Eingang zur Kapelle ist durch ein Portal, bestehend aus 4 weißen Säulen eingeengt. Die 3. und 4. Kapelle links ist vom Seitenschiff jeweils durch ein großes Fenster abgegrenzt und offensichtlich nicht eingerichtet.

Die 4 großen Kapellen auf der Südseite - dem Marktplatz abgewendet - sind alle eingerichtet und besitzen teils alte bzw. alt wirkende bunte Scheiben, vermischt mit Grautönen. Auch 3 Fenster an der Südseite des Chores, dort wo sich die Sakristei und ein Eingang befindet, sind teilweise mit bunten Scheiben ausgestattet. Eine Zuordnung zu der Bedeutung der Kapellen vor 1945 ist nicht möglich. Steht man vor dem Altar und guckt rechts an ihm vorbei, dann erblickt man die ehemalige Gröningsche Grabkapelle. Diese Kapelle ist jetzt bunt und figürlich ausgemalt. Es ist kein Grabstein vorhanden.

In einer Nische im Südturm befindet sich der Grabstein von Pastor Redlin (1854 - 1912). Der deutsche und polnische Text auf einer Messingplatte lautet: "Dieser Gedenkstein erinnert an Ulrich Redlin, Pastor zu St. Johann, Stargard/P. Er hat sich anlässlich der Wiedereinweihung von der Kirche St. Marien, im Jahre 1911, historisch sehr verdient gemacht."

 

Maße der Marienkirche

Breite der Turmfront 39 m
Gesamtlänge der Mittelachse 88 m
Höhe des Nordturms 83,5 m
Lichte Höhe des Mittelschiffs 33,3 m
Lichte Höhe der Seitenschiffe 23 m
Breite des Mittelschiffs zwischen den Pfeilern 11 m
Breite der Seitenschiffe zwischen den Pfeilern 6 m

 

Literaturquellen

Joachim Stampa "Stargard in Pommern und seine Gotteshäuser" 1975, Eigenverlag

Superintendent Brück "Die Erbauung der Marienkirche" in Stargarder Jahresblatt 1992, S. 9-15

Superintendent Brück "Die Herstellung der Marienkirche" in Stargarder Jahresblatt 1993, S. 43-46

Superintendent Brück "Die Erneuerung der Marienkirche in den Jahren 1905-1911" in Stargarder Jahresblatt 1994, S.23-31

Superintendent Brück "Das Innere der Marienkirche" in Stargarder Jahresblatt 1995, S. 27-38

Jürgen Willbarth "St. Marien zu Stargard - eine kurze Baugeschichte" in Stargarder Jahresblatt 2012, S. 3-13

  

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