Sicherheit und Ordnung im Wandel der Zeit

"Erinnerungen an Stargard in Pommern" von Heinz-Jürgen Torff - 2009

Mit der Übernahme des Lübischen Rechts gab sich die Stadt auch in der Form der Verwaltung und Rechtspflege des Rates eine feste Ordnung über die Wahl von Pro-Consulen, Consulen (Bürgermeistern), Ratsherren (Stadträten/Stadtverordneten) und Kämmerern, deren Wahlen, Wechsel und Dauer der jeweiligen Amtszeiten. Feste Anstellungen (Beamte) gab es z. B. bei dem Stadtschreiber, dem Stadtarzt und dem Stadtapotheker, die u. a. bei Epidemien, Pest und anderen Massenkrankheiten innerhalb der Stadt für den Rat fungieren mussten. Zur Exekutive zählte die meist niedere Beamtenschaft, wie reitende und andere Diener. Der Marktmeister, der Haidereiter (als Aufsicht über Stargards Stadtforsten), die festen Tor- und Turmwächter, der Stadtpfeifer, die Nachtwächter und natürlich der Scharfrichter. Sie alle hatten in den früheren Zeiten für Recht und Ordnung in der Stadt zu sorgen. Wer Bürger der Stadt wurde, musste den Nachweis einer eigenen Waffe erbringen. Dann wurden diese Waffen im stadteigenen Zeughaus abgegeben. Zu dieser Zeit waren alle Bürger zum allgemeinen Sicherheitsdienst verpflichtet, hatten Stadtwachen zu halten und auch bei Feuer in der Stadt zu löschen. Zu Friedenszeiten mussten die Bürger auch Sicherheits- und Wachdienste an ihren Stadttoren leisten. Recht wurde dreimal im Jahr bis 1399 durch den herzoglichen Vogt im Stargarder Rathaus gesprochen, danach gab es dann einen städtischen Vogt, der, unabhängig vom Rath, mit Raths Schöffen als Beisitzer Recht sprach. Einer von oft drei Consulen (Bürgermeister) war auch oberster Chef der Polizei und für die Sicherheit im ganzen Stadtgebiet einschließlich der Eigentumsdörfer verantwortlich. Die Halsgerichtsbarkeit, also den letzten Entscheid über Leben und Tod, hatte im Mittelalter letztendlich der oberste Bürgermeister in Stargard in Pommern.

Joachim Appelmann, Stargards ehrenfester und gerechter Bürgermeister (1576-1579), ließ als oberster Richter seinen eigenen Sohn, Haupt einer brandschatzenden Verbrecherbande, zu Bruchhausen in Ketten legen. Nach einer schweren Ratssitzung, in der ihn die Ratsherren stark bedrängten, soll Appelmann gesagt haben, dass er stets Gerechtigkeit ohne Ansehen der Person übe ! Er setzte sich schweren Herzens auf sein Pferd, nahm Priester und Scharfrichter mit nach Bruchhausen und führte dieses schwere Amt bis zum Ende durch. Sein Bekenntnis zum Recht in der vorgehenden Ratssitzung:

Ehe die Sonne noch am Himmel sinket, haben die Schuldigen ohne Ausnahme mit ihrem Blut gebüßet.

Das Recht und die Sicherheit in der Stadt waren diesem mächtigen Mann kraft seines Amtes teuer, obwohl er und seine Familie daran innerlich zerbrachen. Nach seinem Tod schilderten Gedichte und Balladen diese uneigennützige Tat und Appelmanns Rechtschaffenheit noch über Jahrhunderte in heroischer Form in Stadt und Land.

Die Stadt Stargard hatte durch Kriege und unter fremden feindlichen Truppen oft stark zu leiden. Das in dieser Zeit geltende Kriegsrecht setzte wohl auch das Verlangen nach eigenem Recht außer Kraft. Gefangene und abgeurteilte Personen hatten im Mittelalter auch in unserer Stadt oft drakonische Strafen und auch Kerker zu erleiden und sie wurden selbst bei einfachen Delikten noch zusätzlich am Pranger der Häme der Bevölkerung ausgesetzt. In Stargard gab es für diese Gerichtsbarkeit einen Galgenberg. einen Gefängnisturm, zeitweilige Gefängnisse im Pyritzer- und Johannistor, als diese noch als Doppeltore fungierten. Selbst im Rote Meer Turm war ein Verließ tief im Untertor eingerichtet worden, in dem selbst ein von Borcke auf seine Freilassung durch ein Lösegeld gewartet haben sollte.

Gefangenenturm

Im Jahre 1653 kam Hinterpommern und mit ihm auch die Stadt Stargard zu Brandenburg. 1669 wurde die Regierungsbehörde in die neue Hauptstadt von Hinterpommern verlegt. Nun hatte die Stargarder Schützengilde viel zu tun. Da durch häufige und fast regelmäßige königliche und fürstliche Besuche auch viel Fremde in die Stadt kamen. Die hoheitlichen Empfänge nahmen Teile der Stargarder Schützengilde für deren Sicherheit und dem vielen Spalierstehen in schmucker blauer Schützenuniform mit goldenen Espagnin (Spangen) an den Hüten sehr in Anspruch. 1699 wurde daraufhin noch eine stehende Garnison in der Stadt eingerichtet. Die „Alte Wache" am Markt wurde jetzt Aufenthalt des Dienst habenden preußischen Offiziers dieser Garnison.

Die Stadt entwickelte sich unter ihrem neuen Landesherrn stetig weiter, mit Preußen als Landesherrschaft begann die Zeit der landesfarbenen Uniformträger als äusseres Zeichen für die Macht und die Gesetzestreue seiner neuen Staatsdiener. Es folgte in der Stadt, nachdem Stettin nach über 70 Jahren neu als Landeshauptstadt des jetzt preußischen Pommerns eingesetzt wurde, in Stargard die Einrichtung eines königlichen Stadt- und Land-, späteren Kreisgerichts. Die Polizei und der Strafvollzug bekamen jeweils eine feste gesetzliche Organisation. Später wurde im Stargarder Rathaus eine Polizeiverwaltung unter Leitung des „Polizei-Commissarius" A. Dusse aufgestellt, deren oberster Dienstherr in der Stadt der Oberbürgermeister als Polizei-Dirigent war. In dem von A. Dusse 1893 erstellten „Allgemeiner Wohnungsanzeiger nebst Adress- und Geschäftshandbuch für Stargard in Pommern", im Selbstverlag des Verfassers erschienen, finden wir die damalige Polizei-Hierarchie für die Stadt Stargard genauestens aufgelistet: 26 Polizeibedienstete in 13 Polizeirevieren, für Tag- und Nachtdienste eingeteilt, sorgten für die Sicherheit der Stargarder Bevölkerung unter Leitung des Pol.-Kom. A. Dusse mit Sitz im Rathaus. Zusätzlich standen unter der Generalaufsicht der Polizeileitung auch noch städtische Bedienstete u.a. als Markt-Polizei. Oberster Ankläger war zu dieser Zeit ein „Erster Staatsanwalt der Königlichen Staatsanwaltschaft" im neuen Gerichtsgebäude, Gerichtsplatz 6. In diesem Haus, dem Stargarder Gerichtsgebäude, residierten ebenfalls das Königliche Land- und Amtsgericht mit Zuständigkeiten weit über Stargards Stadtgrenzen hinaus. Im Vergleich der Situation von 1893 zum Jahre 1925, also von der Monarchie zur Republik, hatten sich Laufbahn und Aufgabenstellung, Gliederung sowie Ausbildung der Polizei erheblich verändert. In der Monarchie unter König und Kaiser bekamen oft verdiente oder besonders in den Kriegen ausgezeichnete Soldaten den Rock eines Staatsdieners (Landgendarm oder Stadtpolizist) verliehen, sie hatten bewiesen, dass sie obrigkeitstreu zu handeln wussten. In der jungen Republik von Weimar wurden jetzt Polizei- und Ordnungskräfte auf die neue Verfassung vereidigt, zunächst in neuen Polizeischulen kaserniert untergebracht und dort für ihren späteren Einzeldienst ausgebildet. Hier stand kein Kaiser oder König mehr hinter ihren Amtshandlungen. Recht und Gesetz waren die neuen Grundlagen ihres Handelns. Auf den Straßen und Plätzen versuchten besonders radikale Parteien von rechts und links ihre Parolen und Parteiprogramme gewaltsam umzusetzen. Die Polizei war als Schlichter und Ordnungskraft bei diesen Aktionen oft überfordert und wurde politisch kaum unterstützt. Der „Völkische Beobachter", die „Bayernausgabe" vom 14. Mai 1930, als Kampfblatt der NSDAP, berichtete mit Schlagzeile über einen „Meuchelmord in Stargard i. Pommern ! Wieder ein Nationalsozialist von der KPD meuchlings erschossen !" Die Polizei hatte auch hier zu ermitteln. Im Jahre 1925 hatte die Polizeiverwaltung in Stargard und hier die Exekutive schon 36 Beamte, aufgegliedert in Schutz- und Ordnungspolizei, also die Uniformträger sowie die Kriminal- und Gewerbeabteilung mit der Verwaltungspolizei. Unter Oberbürgermeister Kolbe und dem Bürgermeister Molkentin führte der Polizei-Inspektor Klapper die Stargarder Polizei.

Gerichtsgebäude

Ein sehr trauriges und tragisches Ende seiner noch jungen Polizeioffiziers-Laufbahn erlitt der Stargarder Schupohauptmann Lenck, Bromberger Weg 10, am 09. August 1931 an seinem Dienstort in der Reichshauptstadt Berlin. Die „Kolberger Zeitung" vom 15. August 1930 berichtete in Text und Bild über die Beisetzung der zwei Polizei-Offiziere, dem Berliner Anlauf und dem Stargarder Lenck. Die Hauptleute der Schutzpolizei, Anlauf und Lenck, wurden am 9. August 1930 auf dem Bülowplatz in Berlin während ihres Polizeieinsatzes erschossen. Die Täter flüchteten. Der preußische Innenminister Severing sagte u. a. in seiner Trauerrede im Beisein höchster demokratischer Regierungsvertreter und hunderter Kameraden: „Die Frage in dem Uhlandschen Liede: Eine Kugel kam geflogen, gilt sie mir oder gilt sie dir ? ist hier überflüssig. Die Kugel galt ihnen beiden und uns allen die gewillt sind, dem Vaterland die Treue zu halten und das Wohl des Volkes über alles zu stellen." Der Sarg mit dem Leichnam des Stargarder Lenck wurde nach der Beisetzung seines Kameraden Anlauf in Berlin mit großem Geleit nach Stargard überführt und auf dem Neuen Friedhof am Preußenweg beigesetzt. Der oder die Täter setzten sich zunächst unter falschem Namen über die Reichsgrenze ab, um nach 1945 aus Moskau zurück, höchste Parteifunktionen bis zum Jahre 1989 im östlichen Deutschland zu erhalten. Die Morde an den beiden Polizisten hatten in den 90er Jahren wieder deutsche Gerichte beschäftigt.

Der Reichspräsident von Hindenburg wurde 1917 Ehrenbürger unserer Stadt. Die bisher lange Jobststraße wurde daraufhin geteilt und vom Gerichtsplatz in Richtung zur Heilig-Geist-Kirche auf die neue „Hindenburgstraße" umgetauft. Paul von Hindenburg war in dieser politisch sehr unruhigen Zeit noch die beliebteste, bekannteste und wohl noch ein wenig den monarchistischen Geist vertretende Persönlichkeit. Sein Besuch in Stargard/Pom. löste bei der Schutz- und Kriminalpolizei der Stadt eine rege dienstliche Aktivität aus. Hindenburgs persönliche Sicherheit war bei diesem Besuch nicht gefährdet, denn Stargard gehörte nicht zu den Städten, die von politischer Anarchie bedroht waren. Nach Abfahrt seines Sonderzuges vom Stargarder Bahnhof hieß es im Stargarder Rathaus nach der Beurteilung des Polizeieinsatzes:

Keine besonderen Vorkommnisse beim Besuch des Herrn Reichspräsidenten !

 

Besuch Hindenburg

Nach der Machtübernahme der NSDAP im Jahre 1933 gliederte sich die Stargarder Polizei nach neuer Aufgabenstellung in Schutz-, Sicherheits-, Verkehrs- und Ordnungspolizei, aufgeteilt in zwei Polizei-Reviere im Rathaus und am Bahnhof (Barnimstraße) mit einer Schutzpolizei-Stärke von 32 Beamten, und zwar mit dem bewährten Tschako (nach 1918 von der Polizei getragene zylinderhelmartige Kopfbedeckung) mit Kokarde. Dazu kam die Kriminalabteilung mit 7 Beamten im Haus Markt 14 im Erdgeschoss und die Gewerbeabteilung im Rathaus mit der Nahrungsmittel- und Preiskontrolle sowie der Marktpolizei mit 4 erfahrenen Polizeibeamten. Die Verwaltungspolizei bestand aus 2 Stadtinspektoren. Der Leiter des Stargarder Polizeiamtes, dessen Gebiet jetzt den Stadtkreis und die Landgüter Giesenfelde sowie den Jägerhof umfasste, war 1937 Polizeioberinspektor Sandleben. Die Polizeiaufgaben ab 1933 waren in der Stadt sehr vielfältig und wurden durch die politische Übernahme noch komplizierter. Der „Reichsführer SS" wurde jetzt auch oberster Chef der Polizei im ganzen Land. Die Partei der NSDAP versuchte immer mehr, sich in das reine polizeiliche Aufgabengebiet in unserer Stadt einzumischen. Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges, der Einführung der Lebensmittelrationierung, der Verbrauchsgüter, der Verdunkelung, des Verbots über das Abhören fremder Radiosender, der Preistreiberei, des Hamsterns u. v. a. wurde die Polizeitätigkeit zusätzlich belastet.

Zusätzliche Sicherheitsaufgaben ergaben sich zur Kontrolle der Viehzählung in den Haushalten, den Lebensmittelkarten, den Maßnahmen gegen den Missbrauch staatlicher Praktizierungsmaßnahmen zum Schutz der Ernte, der Kontrolle der Kraftstoffe und vieles andere mehr. Dazu gab es besondere Anordnungen, deren Auswirkungen bis in die untersten Polizeidienstgrade gingen. Im Stettiner General-Anzeiger/Ostseezeitung, Nr.187, Juni 1942, wurde berichtet, dass dort für Pommern ein Sondergericht für Verstöße gegen die Verbrauchsreglungsstrafverordnung eingerichtet worden war. (Preistreiberei und Hamsterei wurden mit Zuchthaus bestraft). In der Zeitung stand aber auch immer die vorgeschriebene Verdunkelungsanordnung für zwei Tage, z.B. an einem Sommertag: von 22.23 bis 04.18 Uhr. Wenn ein Lichtstrahl trotzdem auf die Straße fiel, dann rief oft eine amtliche Stimme: „Licht aus, Verdunkelung!" Auch die Stargarder Polizei musste in den letzten Kriegsjahren ihren Gürtel enger schnallen und aufpassen, dass sie selbst nicht in eine politische Falle tapste. Kurz vor dem Einmarsch der Russen und nach dem mörderischen Bombenterror auf Stargard hatte die Polizei auch noch gegen eventuelle Plünderer zu plakatieren und auch einzuschreiten. Wer von unseren Polizisten nicht noch zu den Truppen des „Reichsführers SS" kurz vor Kriegsende eingezogen wurde, hatte sicher Glück, mit der letzten Volkssturm-Einheit die brennende Stadt und damit die Heimat unversehrt verlassen zu können. Ich als Schüler hatte nie Angst, wohl aber Respekt vor den Stargarder Ordnungshütern.

Historischer Nachtrag aus: Polizeihandlexikon von 1896 . Ehrenbezeugungen

Front zu machen ist:

Vor SR. Majestät dem Kaiser, Ihrer Majestät der Kaiserin, sämtlichen Prinzen und Prinzessinnen des Kaiserlichen und Königlichen Hauses, vor dem Reichskanzler, dem Ministerpräsidenten, dem Minister des Innern, dem Polizeipräsidenten bzw. dessen Stellvertreter und dem Kommandeur der Schutzmannschaft.

Aus § 9 der Dienstinstruktion vom 3.12. 1893, ff.

zu grüßen sind:

Offiziere und Wachtmeister der Schutzmannschaft, Offiziere der Feuerwehr und der Nachtwachtmeister. Dieses Honneur ist dem Gouverneur und dem Kommandanten von Berlin, den Generälen und Admiralen der Armee bzw. der Marine sowie den Flügeladjutanten SR. Majestät des Kaisers zu erweisen. Die Beamten der berittenen Abteilung machen zu Pferde das bei der Kavallerie übliche Honneur durch Stillsitzen. Bei Amtshandlungen haben die Beamten Ehrenbezeichnungen nur dann zu erweisen, wenn der Dienst nicht darunter leidet. Bei Streckenbesetzungen werden Ehrenbezeichnungen nur mit halber Wendung gemacht. Beamte sollen auch in der Pferdebahn und im Gerichtsgebäude Honneurs machen.

zurück zumInhaltsverzeichnis