In der bezauberndernserer Weihnachtsstube

Weihnachten in Stargard

Hilde Dirkes ( Aus Pommernzeitung 1999)

Natürlich kann ich mich nicht an alle Heiligabende meiner Kindheit erinnern. Aber an die Zeit seit seit 1926, als wir von Stolp nach Stargard gezogen waren. In dieses alte, verbeulte Haus mit Vor- und Hintertreppe langen Fluren und Verstecken hinter Truhen Schränken und mit den Kachelöfen bis an die Decke.

Von den Weihnachten davor weiß ich nichts mehr. Es wird alles geau so gewesen sein. Die große Tanne und der Krippenaufbau, daruner die Steinguttöpfe mit den Plätzchen und der köstliche Duft nach allem, halt nach Weinachten. Ich sehe uns vier Kleinen um den Esstisch hopsen und singen "Heut ist Weihnachtsabend da". Das war am 24. morgens. Um 12 Uhr ging es in die Badewanne. Man schrubbte uns und setzte uns an den "Katzentisch". Es gab Milchreis mit Zucker, Zimt und Saft. Dann ab in die Betten, damit wir vorschlafen konnten, denn am 24. durften wir lange aufbleiben. Meine Mutter legte jedem Kind ein Päckchen frische Wäsche hin und über ihr Gesicht und die Wände huschuschte der Schein aus Ofentüre, Frieden, Gemütlichkeit und Freude verbreitend. Nur etwas war schrecklich: Die selbstgestrickten langen Strümpfe, die so kratzten, dass wir nur mit steifen Beinen die Treppe hinunterkamen.

Weihnachtsschmuck

16 Uhr gab es Kaffee noch bei Adventsbeleuchtung. Pommwersche Kartoffel, halbiert und in dunkelseidenes Seidenpapier gehüllt. und in jedes ein Tanneszweig gesteckt mit rosa Papierröschen und einer weißen Kerze. Wenn draußen schon die Glocken läuteten, gingen wir in die Christmette. Meine Mutter nahm uns mit auf den Orgelchor, wo der Kirchenchor saß. Von da aus blickte man in die Kirchenschiffe, die voller Menschen waren; etwa 2000 "Seelen", wie der Küster sagte. Vor dem Altar standen zwei riesige Tannen,. die mit weißen Kerzen und weißen Papierlilien geschmückt waren. Auf den Kronleuchtern steckten ebenfall weiße Kerzen und verbreiteten ein warmes Licht und zeichneten große Schatten auf die gotischen Säulen. Trotzdem glückte es meiner Schwester Maria und mir, die Glatzen zu zählen und Lehrer und Bekannte zu erspähen.

Heiligabend ging fast alles zu meinem Vater in die Kirche. Von den Predigten weiß ich nichts mehr, aber ich höre noch seine durch die Kirche schwingende Stimme, wenn er den Segen sang bevor er in die Sakristei ging. Und dann braust es durch den Raum "O, Du fröhliche..", wieder unter dem Geläut der Glocken. Meine Mutter hatte noch viele Menschen zu begrüßen. Wir Kinder aber eilten nach Hause, wo hinter den Gardinen eine Kerze nach der anderen unserer Weihnachtsbaumes erstrahlte. Vor der Bescherung gab es noch eine Andacht im kleinen Zimmer neben dem Salon, wo auch ein großes Transparent von Rudolf Schäfer stand, die Geburt Christi darstellend.

Weihnachtsschmuck

Endlich öffnete sich die Tür zur Weihnachtsstube. Vor der Krippe sagten wir Gedichte auf oder die Weihnachtsgeschichte und sangen Krippenlieder. Danach wurde der Baum besungen. Durch seine Zweige schimmerten die Geschenktische. Mein Herz schlug vor Glück, als ich dort einmal die Schildkrötenpuppe Christiane entdeckte, die ich auf dem Schulweg immer wieder im Schaufenster bewundert und mir sooo gewünscht hatte, mehr als alles in der Welt. War das eine Freude. Sie hatte einen Pudel auf einem Puschel. Und sie lächelte mir entgegen.

In dieser verzauberten Welt unserer Weihnachtsstube lebten wir bis Anfang Januar. Dann wurde der Baum mit Schulfreunden abgestanzt und abgeputzt, anschließend aus dem Fenster in den schmalen Hof geworfen. Zurück blieb ein Gerippe. Wir hofften, noch ein bisschen Glanz zu erhaschen, eine vergessene Kugel, eine abgebrannte Kerze. Aber es blieben höchstens ein paar silberne Lamettafäden, nicht ausreichend, uns den Abschiedsschmerz von Weihnachten zu nehmen. Das tat ein anderer. Es war ein lustiger Wind, der durch die sich biegenden Fichten und den knorrigen Birnbaum blies und uns zurief: "Lasst man, Kinnekens, ich bring Euch nun bald den Frühling". Wir lauschten und sprangen mit dem Wind durch den Garten, hielten wohl auch inne, wo vier Wochen später die Schneeglöckchen aus der Erde gucken würden. Und eine neue Freude kam.

Weihnachtsschmuck