Ein Missionar aus Stargard in Pommern

Aus Heinz-Jürgen Torff - 2009 "Erinnerungen an Stargard in Pommern"

Man schrieb das Jahr 1884, als in unserer Stadt in der Schuhstraße bei der Familie August und Auguste Steingräber der zweite Sohn Paul von noch fünf weiteren Geschwistern das Licht der Welt erblickte.

Missionar Paul Steingräber

1894 zog die damals achtköpfige Familie in ihr neu gebautes Haus mit großem Grundstück (3 000 qm) in das erweiterte Jobstviertel, Bergstraße 51, ein. Als dann noch die Tochter Emmi Steingräber zur Welt kam, war die Familie komplett. Mutter Auguste war eine geborene Maskow und sie lernte ihren späteren Ehemann August Steingräber auf dem landwirtschaftlichen Betrieb ihres Vaters Heinrich Maskow, den damaligen Schultheiß aus Roggow (das frühere Eigentumsdorf der Stadt) kennen und lieben. Die Maskows aus Roggow stellten schon im 16./17. Jahrhundert Ratsherren im Stargarder Senat - siehe Böhmer: „Geschichte der Stadt Stargard in Pommern" von 1902.

Der Sohn Paul Steingräber hatte mit knapp zwanzig Jahren sich in den Kopf gesetzt, Missionar zu werden. Er hatte es nicht leicht in seiner Schul- und Studienzeit. In den Semesterferien musste er Großvaters Weidevieh in dem fünf Kilometer entfernten Roggow hüten. Das hieß, als junger Stargarder die Bergstraße hinunter über das Torfmoor am Blitzteich vorbei, an der Ihna entlang, über Lübow nach Roggow, frühmorgens hin und abends zu Fuß wieder heimwärts. Da gab es so manchen Ärger, wenn der Student beim Hüten über seinen Büchern eingeschlafen war und die Kühe des Nachbarn Kleeacker besuchten. Aus christlichem Hause stammend, zog es den jungen Paul bald mit Unterstützung seiner Eltern ganz zur Rheinischen Mission nach Wuppertal-Barmen, hier erfüllte sich sein Wunsch, in den Dienst der Mission aufgenommen zu werden. Eine lange Studienzeit begann, bei der der damalige Professor der Theologie D. Hausleitner in der 1828 gegründeten Mission Direktor und Chef (1903 -1908) der Ausbildungszeit wurde.

Paul Steingräbers missionarisches Vorbild war Pommerns 1. Missionar in Asien, Karl Friedrich August Gützlaff, geb. 08. Juli 1803 in Pyritz. Gützlaff, der bekannte Pyritzer und wohl auch der erste pommersche Asien-Missionar und Gottesstreiter, kam unter mutigen Umständen zur Niederländischen Mission und zuerst nach Battak auf Sumatra. Wegen inländischer kriegerischer Auseinandersetzungen wechselte Gützlaff nach China und missionierte dort, bis er 1851 in Hongkong verstarb. Er fühlte sich schon fast als Einheimischer und kleidete sich auch wie ein Chinese. Als Sprachgenie übersetzte er als erster unsere deutsche Bibel ins Chinesische. Paul Steingräber verehrte ihn und versuchte ihm nachzueifern. Nach Abschluss seiner missionarischen Ausbildung wurde Steingräber anlässlich der Wiedereinweihung der Stargarder Marienkirche in Anwesenheit Kaisers Wilhelm II. von Superintendent Brück, Oberpfarrer an St. Marien, von der Marienkirchgemeinde in den Missionsdienst verabschiedet. Es wurde ein Abschied von seiner Heimatstadt Stargard auf lange Zeit. Die „Jubiläumsausgabe St. Marien" von 1911 wurde ihm mit auf seinen Weg nach Sumatra gegeben.

Missionar mit Familie

Von 1912 bis 1913 arbeitete Steingräber als Missionar in Laguboti auf Sumatra, von 1913 bis 1923 in Muara/ Men-tawai und in der Zeit von 1923 bis 1928 in Butar in Sumatra. Seine beiden Kinder wurden in Sumatra geboren. Als Missionar gründete er dort Missionsstationen und bildete an seinen Wirkungsstätten viele einheimische Helfer aus, die seine Arbeit im Sinne der Rheinischen Mission später fortsetzten. Das neue Testament übersetzte er an seinen drei Wirkungsstätten in die jeweilige Landessprache.

Paul Steingräber ging nach seiner Rückkehr in Deutschland gleich in den Heimatdienst der Rheinischen Mission und übernahm dann eine Pfarrstelle in Herborn im Dillkreis. Er verstarb fast 88jährig in Wissen /Sieg. Steingräber war stets ein beliebter und begehrter Theologe in seinem neuen Wirkungskreis. Er verstand es, in seinen Predigten und geistlichen Vorträgen das lebendige Christentum mit seinen Missionserlebnissen zu schmücken, um so auch die einheimischen Christen über die Arbeit in der Rheinischen-Mission neugierig zu machen. Seine Heimat- und Geburtsstadt Stargard i. Pommern besuchten und erforschten später seine in Sumatra geborenen Kinder - Sohn und Tochter - für ihren Vater. In späten Witwerjahren heiratete Steingräber dann noch seine erste Jugendliebe aus seiner Geburtsstadt Stargard, die, jetzt ebenfalls Witwe geworden, 1945 ihre gemeinsame Heimatstadt verlassen musste.

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