Kriegstod meines Klassenkameraden Erhard Sonntag

Dr. Alfred Schwichtenberg
Hölderlinstr. 27
57076 Siegen-Weidenau
Tel.: 0271 73622

Wir gehörten zum Einschulungsjahrgang 1936 an der Oberrealschule in Stargard mit dem Standort im unteren Bereich der Rosenbergstraße und mit dem davor liegenden Peter-Gröning-Platz. Ab dem Jahr 1940 hatten während der Sommerferien Erhard Sonntag und ich die A-, B-, und C-Prüfung für Segelflieger in der Flieger-HJ bei Wartin am Randowbruch südwestlich Stettin abgelegt. Mit der vorzeitigen Versetzung in die Oberprima und dem nachfolgenden „Notabitur" wurden wir am 8. April 1943 aus der seit 1938 nun genannten „Oberschule für Jungen" entlassen.

Am 15. April traten wir unseren Reichsarbeitsdienst im zwischen Stettin und Greifenhagen gelegenen Ferdinandstein an. Die Entlassung fand am 8. Juli statt. Wir meldeten uns in der zwischen Leipzig und Dresden gelegenen Stadt Oschatz bei der Deutschen Luftwaffe zur Rekrutenausbildung für Offiziersbewerber. Nach sechs Wochen wurden wir auf die verschiedenen Luftwaffenkriegsschulen verteilt. Dort begann dann die fliegerische Ausbildung im Motorflug. Danach trennten sich in Berlin-Gatow unsere Wege.

Schon im Jahr 1943 befand sich die deutsche Wehrmacht an allen Fronten in schwere Abwehrkämpfen noch weit ab vom Reichsgebiet gegen die technisch besser gerüsteten und zahlenmäßig überlegenen Armeen und Luftflotten der Alliierten.

Das Jahr 1944 traf die deutsche Kriegsführung besonders hart bei der Kraftstoffversorgung aller Verbände, da die rumänischen Ölquellen an die Rote Armee verloren gingen. Die dann einsetzende Bombardierung der deutschen Hydrierwerke, die auf synthetischem Wege aus  Kohle Dieselkraftstoff und Benzin erzeugten, wurden bevorzugt von den nordamerikanischen Bomberflotten angegriffen und zerstört. Dadurch sank im Laufe des Jahres 1944 die Treibstoffversorgung von 900.000T auf etwa 300.000T. Die entwickelten „Holzvergaser" waren nur eine kleine Hilfe für die Versorgungsindustrie. Die Treibstoffverluste erreichten auch die Fliegerausbildungsschulen der Deutschen Luftwaffe. Die nur teilausgebildeten Piloten wurden damit freigesetzt und zur Fallschirmtruppe bzw. zur Fliegerabwehr (Flak) versetzt.

Auch mein Lehrgang mit Offiziersbewerbern bei der Deutschen Luftwaffe kam mit einem Truppentransport von Berlin zur Fallschirmjägerschule nach Wittstock an der Dosse. Am Nordrand der Stadt lagen die Kasernen für den Personalnachschub zu den verschiedenen nun im infantristischen Erdeinsatz befindlichen Fallschirmjäger Divisionen. Bis Kriegsende hatten sich zehn Fallschirmjäger Divisionen gebildet. In diesem Kasernenbereich traf ich zufällig meinen Klassenkameraden Erhard Sonntag wieder. Er wurde dann zu einer Fallschirmjäger Division versetzt, die in den Niederlanden kämpfte.

Als ich nach dem 2. Weltkriege nach ihm suchte, fand ich ihn unter den gefallenen Soldaten auf dem deutschen Soldatenfriedhof Ysselstein, der südwestlich Venray in der Provinz Limburg liegt. Hier haben 32. 000 Tote aus dem ersten und zweiten Weltkrieg ihre letzte Ruhestätte. Mit Hilfe eines niederländischen Oberfeldwebels, der die Verwaltung des deutschen Soldatenfriedhofes Asselstein betreute, konnte ich aus den dortigen Personalakten folgende Daten entnehmen: Erhard Sonntag, geboren in Spaldingsfelde bei Kuhblank (zwischen Stargard und Stettin gelegen). Gefallen am 29. November 1944 beim Kampf um einen Kanalübergang zwischen deutschen und englischen Kampftruppen. Als der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfüsorge Jugendliche aus der Bundesrepublik und aus den Niederlanden zu einer großen Gedenkfeier nach Ysselstein eingeladen hatte, habe ich noch ein zweites Mal an seinem Grab gestanden.

Im Nachtrag sei es mir erlaubt, einen Hinweis zu diesem Soldatenfriedhof zu geben. Der Niederländische Staat hat die im ganzen Land verstreut liegenden deutschen Soldatengräber aufsuchen und die Toten nach Ysselstein umbetten lassen.

Aufstellung aller Kriegstoten unserer Schulklasse

Von den Klassenkameraden des Einschulungsjahrgang 1936, die ganz oder nur zeitweise unserer Klasse angehörten, ist ein erheblicher Teil Opfer des zweiten Weltkrieges geworden. Dazu gehören:

Dietrich Benvater gefallen, näheres unbekannt,

Dietrich Bold er war der erste aus unserer Klasse und fiel an der Ostfront.

Karl-Heinz Cher gefallen als Funker im Funkwagen durch Bombenangriff in Rumänien, Bericht seines Bruders

Ernst HoffmannJagdflieger in einer Focke Wulf 190, abgeschossen zwischen Lüttig und Bonn am 25.12.1944 von amerikanischen Jägerpiloten. Am 26.12.1944 verstorben, liegt auf dem Klosterfriedhof Walberberg südlich von Brühl in NRW; Bericht seines jüngeren Bruders Hans.

Klaus Köpenicknach Verwundung und Beinamputation gestorben und am 29.08. 1944 auf dem Stargarder Friedhof beigesetzt, Bericht von Ernst Hoffmann während seines Urlaubs. Zur gleichen Zeit war ich auch in Stargard.

Heinz Krausegefallen an der Ostfront, Bericht seines Vaters an meinen Vater Otto Schwichtenberg.

Gert Krierke gefallen am 17.01.1945 bei  Groß Wartenberg nordöstlich von Breslau. Erschossen von einem verwundeten Rotarmisten beim deutschen Gegenangriff; Bericht eines Stargarder Mittelschülers, der die Munition zu ihrem Gewehrgranatgerät trug. Von ihm erhielt ich die Nachricht bei einem Stargarder Treffen in Elmshorn.

Gerhard 0lmaus Freienwalde, vermisst an der Ostfront. Das Wissen stammt von Horst Retzlaff aus Freienwalde, der ebenfalls unserer Klasse angehörte.

Günter Schrödervon der Fliegertruppe zur Fallschirmtruppe versetzt, am 03.01. 1945 schwer verwundet, am 05.01.1945 auf dem Ehrenfriedhof in Wasenberg an der Niederländischen Grenze in NRW beigesetzt. Bericht von Walter Ziefer aus unserer Klasse.

Erhard Sonntag gefallen bei der Fallschirmjägertruppe am 29.11.1944, siehe meinen vorliegenden Bericht.

Johannes Timm gefallen an der Ostfront, Bericht von Günter Schlieps, ebenfalls aus unsrer Klasse.

Hans Warns aus Klützow, er kam aus Schleswig-Holstein in unsere Klasse, gefallen bei der Waffen SS an der Ostfront, Bericht eines unserer Klassenkameraden.

Karl-Heinz Wegener er kam aus Groß Schönfeld Kreis Pyritz, vermisst in Bessarabien oder Rumänien. Bericht eines Klassenkameraden.

Hans Simon Angehöriger der Waffen SS, ging nach Kriegsende von Westdeutschland nach Rostock, Vom sowjetischen Geheimdienst verhaftet, verstarb 1948 irn sowjetischen KZ Bautzen. Bericht von Elli Lübke beim Heimattreffen in Elmshorn.

Kriegstote

zurück zum Inhaltsverzeichnis