Der Madüsee

Ein pommersches Kleinod nahe der Stadt Stargard

Dieses kleine Paradies liegt genau eine Landmeile (7,5 km) vom Stargarder Gerichtsplatz entfernt. Der Gerichtsplatz ist der Verkehrsknotenpunkt der Stadt. Sechs Straßen gehen von hier aus in alle Richtungen, so auch die Straße nach Stettin. Der Weg führt also durch die Bahnhofstraße, unter der Eisenbahnunterführung hindurch gelangt man auf die Stettinerstraße. Eine breite Fahrbahn mit Gehwegen führt immer geradeaus, nach einem km am Schwimmbad vorbei, nach einem weiteren km an der Stelle vorbei wo einst die Gartenwirtschaft Lindenhof stand, ein Stadtrandlokal wo sich vor allem Kinder wohlfühlten, wenn der sonntägliche Familienausflug hier unterbrochen wurde. Nach einem weiteren km ist man bei der Rasenbank mit dem Stein, der auf den hier durchgehenden 15. Längengrad östlicher Breite hinweist, also auf die mitteleuropäische Zeit.

Vor dem Krieg war diese Strecke ab Lindenhof eine herrliche natürliche Promenade mit starken Chausseebäumen links und rechts der breiten Chaussee. Ganz rechts war der etwa 3 m breite Fußweg, links neben der Straße ein gleichbreiter Radweg. Die Fahrbahn war für Kraftfahrzeuge auf ca. 5 bis 6 m gepflastert. Pferdefuhrwerke benutzten den zur Fahrbahn gehörenden Sandweg, den so genannten Sommerweg mit einer Breite von etwa 3 m. Nach etwa 4,5 km war man an der Straßenkreuzung Lindenberg/Seefeld. An dieser Kreuzung befand sich eine Kalksandsteinziegelei. Nach zwei weiteren km geht links der Weg ab nach Kunow an der Straße, dem größten Dorf am Madüsee. Auf dem folgenden letzten km spürt man schon die frische Seeluft und sieht durch den lichten Wald den See. Aber auch schöne Wochenendhäuser von begüterten Bürgern kann man an der Seeseite durch den lichten Wald erkennen. Das Dorf Moritzfelde liegt rechts der Straße, man sieht nur wenige Häuser.

Das Ziel ist also erreicht. Zur Linken führte ein Sandweg direkt an den See. Früher empfing uns ein lichter Nadelwald auf sandigem Boden, wo man sich bereits der Schuhe und Strümpfe entledigte. Doch bald war man da hindurch und wurde von einem herrlichen Sandstrand mit Blick über den gigantischen See, der wie eine Perle im Sonnenglanz glitzerte, empfangen. Völlig naturbelassen war hier der Strand und seine Umgebung. Es herrschte auch ohne jegliche Aufsicht Ordnung und Sauberkeit. Das Gebiet des sog. Freibades war groß genug, so dass jeder sein trautes Plätzchen aussuchen konnte. Der Freibadstrand war etwa 300 m lang. Danach reihten sich mehrere Gartenwirtschaften an, die sich dort angesiedelt hatten. An Wochenenden waren diese Wirtschaften natürlich gut besucht. Einige boten sogar Konzert und Tanz an.

Der See selbst war am Ufer sehr flach. Nach etwa 50 m stand man bis an die Knie im Wasser. Er war also ein Paradies für Eltern mit Kleinkindern. Man musste schon so um die 100 m hineingehen, um gut schwimmen zu können . Bei 120 m vom Strand entfernt standen 2 rote Warnfahnen. Dahinter durften nur gute Schwimmer, denn ab hier stieg die Wassertiefe enorm. Da am Strand das Wasser ständig in Bewegung war, bildeten sich bei dem geringen Wasserstand kleine Sandwellen auf dem Boden, die das Durchwaten zur besten Fußsohlenmassage machten. Es gab auch genügend Strandläufer, die ihren Spaß daran hatten dem auflaufenden Wasser auszuweichen.

Die linke Ecke des Sees, dort wo heute der kleine schön angelegte Kleinboothafen installiert ist, war früher ein großes Schilfgebiet. Hier befand sich ein kleines Biotop, wo Frösche, Libellen und anderes Kleingetier zu finden war. Auch der Strand hat sich verändert. Man hat das flache Wasser ausgenutzt und mindestens 10 m mit fremdem Sandmaterial aufgefüllt. Früher war der Strand feiner weißer Sand, heute schimmert er leicht bräunlich. Auch ziert heute eine lange, befestigte und mit Laternen versehene Promenade die Uferregion. In dem etwa 100 m breiten Waldstreifen zwischen Chaussee und See hat man einen großen eingezäunten Parkplatz für Pkw errichtet. Aber auch an die Busse, die Touristen herbringen, hat man gedacht. Ein großer Parkplatz, unmittelbar an der Straße, sorgt für einen guten Eindruck. Und das restliche, große herrliche Waldgelände wurde zu einem schönen großen Campingplatz verwendet. So viel über das kleine Paradies Madüsee.

Im Mai 1993, während einer Heimatreise nach Stargard, kam mir die Idee, den Madüsee mit dem Pkw zu umfahren. Wir waren zu dritt, Sigrid, meine Frau, ich und Rosa, unsere Zimmerwirtin. Wir saßen im Allradgetriebenen Subaru und konnten somit auch schlechtere Wege durchfahren. Wir fuhren also, wie anfänglich beschrieben, auf der Stettiner Chaussee bis zur Abfahrt nach Kunow. Hier bogen wir links ein und erreichten nach 2 km das größte Dorf am Madüsee, Kunow an der Straße. Der Ort hatte 1939 810 Einwohner. Erwähnenswert ist hier die Kirche, ein spätmittelalterlicher Findlingsbau mit einem sehr schmalen, durch rundbogige Blenden gegliederten Turm, ein recht interessantes Gotteshaus. Da Kunow sich nur an der Straße entlang zieht, beträgt die Länge fast 1 km. Nach 2 weiteren km erreichten wir Verchland. Nur ein paar Häuser stehen hier an der gut asphaltierten Straße. Außer dem Gut ist hier nichts Bemerkenswertes zu sehen. Wir fuhren also weiter nach Klein Küssow und Groß Küssow. Während Klein Küssow nicht weiter etwas zu bieten hat, außer das es am Madüsee 1iegt und ein ruhiges Dörfchen ist , kann Groß Küssow doch zusätzlich ein Schloss vorweisen, in dem ganz sicher einmal ein Gutsbesitzer mit seinen Angehörigen herrliche Zeiten verbracht hat. Dieses Schloss zu besichtigen oder gar zu fotografieren war leider nicht möglich wegen der Hausgäste. Das Schloss ist heute also ein Gästehaus und darauf sollte man Rücksicht nehmen. So standen wir dann am Zaun vor der verschlossenen Pforte und konnten nicht einmal in den Park, um hier Fotos zu machen. So weit wir aber durchs Gebüsch erkennen konnten, machten das Gebäude wie auch der Park einen recht ordentlichen Eindruck.

Schloss in Gr. Küssow

Schloss in Groß Küssow

Jetzt waren noch 4 km bis Werben. Doch wo ist unsere Straße geblieben? Auf unserer Karte führt sie geradeaus weiter. Doch endete sie plötzlich in einem Acker. Wir im Glauben, dass sie eventuell durch Bauarbeiten mal kurz unterbrochen war, nahmen es nicht so tragisch. Wir saßen, ja im Allrader und wollten und trauten unserem Subaru auch dieses Abenteuer zu. So fuhren wir dann in gemäßigtem, angemessenen Tempo geradeaus über den brachliegenden Acker mit seinen Furchen und Querrillen. Eine gute Testfahrt für das Gefährt. Nun, wir erreichten ohne jeglichen technischen und körperlichen Schaden den zweitgrößten Ort am Madüsee, Werben. Er hatte im Jahre 1939 genau 585 Einwohner. Werben liegt am südöstlichen Ufer des Madüsees, hat einen schachbrettartigen Grundriss und einen kleinen Marktplatz. Die Findlingskirche besitzt einen Back- und Feldsteinturm, bekrönt mit 4 Ecktürmchen aus neuerer Zeit. Den Ostgiebel gliedern 7 Spitzbogenblenden. Der Innenraum der Kirche soll recht interessant gestaltet sein, doch die Tür war verschlossen.

Wir fuhren weiter in Richtung Pyritz, um auf die Straße nach Stettin zu kommen, denn eine Straße am See entlang gibt es an der Westseite des Sees nicht. Auf dieser Strecke überquerten wir den Zufluss vom Plönesee zum Madüsee: den Schönings Kanal. Die Einmündung in den Madüsee haben wir durch diese Umfahrerei natürlich nicht sehen können. Wir fuhren also auf der Straße in Richtung Stettin. In der Nähe von Falkenberg machten wir bei einer uns bekannten neuen Gaststätte "Bison" Rast und nahmen unser Mittagessen ein . Diese Gaststätte liegt an einem See. Das ist nicht etwa der Madüsee, wie es oft von den polnischen Fremdenführern behauptet wird. Es handelt sich um den vom "Parnitzgraben" durchfließenden Bangart- See, der einen ca. 2 km langen Zufluss zum Madüsee hat.

Weiter ging die Fahrt. Nach  8 km bogen wir rechts ein nach Kolbatz. Die Klosterkirche war leider geschlossen, so mussten wir mit der Außenansicht des Klosters zufrieden sein. Dafür besuchten wir noch das Konvertiertenhaus. Hier befindet sich die alte Bücherei des Klosters und des Dorfes. Im Anschluss daran interessierte uns noch das Abthaus. Hier war es zunächst die Ahnengalerie, die unser Interesse erweckte. Doch dann bot sich die Gelegenheit in einem gepflegten Gewölbekeller Kaffee zu trinken. Eine idyllische Atmosphäre erwartete uns. Die Wände sind in Sockelhöhe mit Feldsteinquadern gemauert, ein klassisches Kreuzrippengewölbe in Backsteinbauweise ziert die Decke. Das Personal war einmalig freundlich und nett, so dass wir uns gleich für den nächsten Tag zum Mittagessen angemeldet haben.

Nach dieser interessanten Entdeckung fuhren wir weiter nach Selow. Hierbei überquerten wir die Plöne, die ja östlich Selows den Madüsee verlässt und durch den Selower See in Richtung Altdamm in den Dammschen See einmündet. Der Ort liegt etwa in der Mitte des Madüsees. Hier sind auch die größten Seebreiten zu verzeichnen. An den Abfluss der Plöne war hier nicht heranzukommen. Ein Sicherheitszaun umgab das gesamte Gebiet. Wahrscheinlich liegt auch darin die Pumpstation für die Wasserversorgung Stettins. Ein letzter Blick von Selow, dem etwaigen Mittelpunkt des Madüsees nach Norden oder Süden überzeugte uns von der enormen Größe dieses Binnensees. Eine Aufnahme in alle vier Richtungen bestätigen meine Feststellungen. Mit einem letzten Blick hinüber auf das teilweise bewaldete Ostufer nahmen wir Abschied von unserem geliebten Madüsee. Nachdem wir nun alle erreichbaren Orte rund um den Madüsee besucht hatten, begaben wir uns auf den Heimweg. Über Belkow, Kublank erreichten wir die Stettiner Chaussee. Glücklich und zufrieden von all dem Gesehenen kehrten wir heim und redeten noch lange darüber. Eine wunderbare Reise durch einen Teil unserer alten Heimat war damit beendet.

Strand am Madüsee

Strand am Madüsee

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