Trockenlegung großer Sumpfgebiete zwischen Madüsee und Plöne

Weizackerbrief 1974, H.T.

Der Preußenkönig Friedrich II. (1740 bis 1786), den seine Bewunderer auch den Großen nannten, hat während seiner langen Regierungszeit nicht nur Kriege geführt, sondern sich sehr um die wirtschaftliche Entwicklung seines Landes bemüht.

In den Geschichtsbüchern lesen wir von der Urbarmachung der Oderbrüche, die schon sein Vater, der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. (1713-1740), begonnen hatte. Zwischen Frankfurt an der Oder und Stettin entstand in mühseliger Arbeit bestes Acker-und Gemüseland, das später die Städte Stettin, Berlin, Küstrin und Frankfurt an der Oder mit frischem Gemüse beliefern konnte. Sogar Tabak und Spargel wurde an einigen Stellen angebaut.

Weniger bekannt ist, dass Friedrich der Große auch im Kreis Pyritz viele tausend Morgen Land aus Sumpf und Moor gewinnen ließ. Die beiden größten Seen des Weizackers, der Madüsee und der Plönesee, Überreste des riesigen eiszeitlichen Stausees, waren vor über 200 Jahren viel ausgedehnter als heute. Besonders das Plönebruch zwischen den Seen und die Uferlandschaft am Südende des Madüsees bildeten riesige Schilflandschaften wie heute am Neusiedlersee im Burgenland. Hier war das Reich der Wasservögel, Störche und Kraniche, Wildgänse und Wildenten, der großen und kleinen Rohrdommel, ja Seeadler und Wildschwäne waren hier zu Hause.

Weizacker Trockenlegung

Die verwendete Landkarte stammt von 1932.

Der König ließ bereits in den Jahren vor dem Siebenjährigen Krieg, also um 1750, das ganze Gebiet von seinen Fachleuten untersuchen und vermessen. Die Pläne für eine Trockenlegung der Sumpfgebiete lagen fertig vor, als 1756 der Krieg ausbrach, der erst 1763 beendet war und in ganz Preußen unvorstellbare Armut hinterließ. Doch die preußische Verwaltung ging schon nach wenigen Friedensjahren an die Verwirklichung der alten Pläne.

Im Jahre 1770 wurde der Madüsee (heute 30 Quadratkilometer) um acht Fuß, das sind rund 2,50 Meter, gesenkt. Viele hundert Tagelöhner, die froh um einen zusätzlichen Verdienst waren, hatten jahrelang gearbeitet, um den Unterlauf der Plöne, die unweit Stettin in den Dammschen See mündet, zu verbreitern und zu vertiefen. Dabei mussten auch die Mühlenwehre und Stauwerke in der Buchheide beseitigt werden, was sicher langjährige Verhandlungen vorausgesetzt hatte, standen doch die verbrieften Mühlenrechte zahlreicher Müller zur Debatte, die abgelöst werden mussten.

Nun wurden die Ländereien besonders um den südlichen Teil des Sees trockener, zumal Abflussgräben angelegt wurden, die das Wasser in den nun tiefer liegenden Madüsee führten. 1771 bereits wurden die ersten vier Kolonien Friedrichsthal, Schöningen, Schützenaue und Neu-Falkenberg gegründet. Einige Zeit später kamen die Siedlungen Möllendorf, Giesenthal, Lölhöfel und Raumersaue hinzu. Bis zum Jahre 1777 waren durch die Landvermesser David Gilly aus Stargard, der als Landbaumeister an der Kolonisation im Weizacker großen Anteil hatte, und durch Georg Ludwig Geibler, zu dessen Ehren jenseits der Kreisgrenze eine Kolonie den Namen Geiblersdorf erhielt, genau 130 Kolonistenstellen abgesteckt. Die Werber des Königs holten die Bauernsöhne aus dem ganzen Reichsgebiet als Kolonisten ins Land.

Bis zur Vertreibung im Jahre 1945 wohnten in der Niederung am Bangastsee und am Madüsee sowie im ehemaligen Plönebruch die Nachkommen dieser fleißigen und zähen Siedler, die das Land urbar und fruchtbar gemacht hatten. 1939 waren in den acht Dörfern 1280 Menschen, fleißige Landwirte und Arbeiter, mit ihren Familien sesshaft. Sie hatten das ehemalige Sumpfgebiet in eine Kulturlandschaft verwandelt, über die man von den Horster Bergen mit Bewunderung hinwegsah. Dieser jüngste Teil des Weizackers trug Zuckerrüben und Kartoffeln, Weizen und Roggen, Gerste und Hafer, saftige Klee- und Luzerne­kulturen. Die fetten Weiden und Wiesen waren die Grundlage einer ertragreichen Viehzucht. Die schwarzweißen Milchkühe gaben eine vorzügliche Milch.

Abschließend noch ein Wort über die Namen dieser nun rund 200 Jahre alten Neugründungen. Friedrichsthal wurde natürlich nach dem Preußenkönig selber benannt. Hier befand sich zuletzt eine große Zuckerfabrik, in der zahlreiche Menschen Arbeit und Brot fanden. Der Weiler Lölhöfel, er hatte 1939 nur 47 Bewohner, heißt so nach dem General Lölhöfel von Löwensprung, der sich als Reiterführer in den Schlachten des Siebenjährigen Krieges bei Hohenfriedberg, Roßbach und Zorndorf einen Namen gemacht hatte. Der Kammerpräsident von Schöningen gab dem Dorf Schöningen seinen Namen, während sein Kammer-Referendarius Schütz Pate für die Kolonie Schützenaue stand. Beide hatten großen Anteil an der Planung und Durchführung des großen Unternehmens. Auch Giesenthal, Raumersaue und Möllendorf verdanken ihren Namen verdienten Soldaten und Beamten.

Der Kattegraben, ein breiter Kanal, der die Ländereien zwischen dem Bangastsee und dem Madüsee entwässerte und neben der Dorfstraße von Giesenthal entlangführte, hatte einen bemerkenswerten Namengeber. Der Leutnant Katte war ein enger Freund des Kronprinzen Friedrich. Katte wollte Friedrich 1730 - anlässlich einer Reise des Preußischen Hofes in die Besitzungen am Rhein - zur Flucht verhelfen. Der 18-jährige Kronprinz wurde festgenommen und in die Festung Küstrin gebracht. Er musste vom Fenster seiner Zelle zusehen wie sein treuer Freund Katte wegen Fahnenflucht standrechtlich erschossen wurde. Ein unscheinbarer Kanal, nicht einmal eine menschliche Siedlung hat den Namen des Leutnants Katte bis in die Gegenwart bewahrt.  Wir wissen nicht, ob der König selbst den Namen ausgewählt hat, aber es ist sehr wahrscheinlich.

Wären die Bewohner dieser acht Dörfer noch in der Heimat, sie hätten sicherlich deren 200. Geburtstag festlich gestaltet und mit ihnen der ganze Kreis Pyritz. So wurde er fast vergessen. Vielleicht hören die jetzigen polnischen Bewohner über Umwege von der Geschichte ihrer Wohnorte. Auch sie haben die Möglichkeit, eigenes Land zu bebauen und Vieh auf fruchtbaren Weiden zu züchten, der Tatkraft eines Königs zu verdanken, der nicht zu spät erkannt hatte, dass es wichtiger ist, neues Land zu gewinnen, auf dem Brot für viele Menschen wächst, als Schlachten zu gewinnen.

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