Schätze der Klosterkirche Marienfließ

Aus der Pommerschen Zeitung Folge 11/06  18. März 2006
Einsender: Erna Klatt (verstorben)
Aus Paul Schulz: "40 Jahre Patenschaft Kreis Saatzig/Pommern Kreis Ostholstein
2. Teil: Erinnerungen an den Kreis Saatzig" S. 25f

 

In der Schublade das Wickelband Jesu

Als sich im Jahre 1524 in Pommern der Geist der Reformation geregt hatte und die lutherische Lehre eingeführt worden war, erfolgte 1648 ein Umbau der 1252 mit dem Zisterzienser Nonnenkloster zusammen erbauten Kirche. Auch ein Teilbrand beider Gebäude im Jahre 1549 machte diesen Umbau erforderlich. Das Kloster wurde in verkleinertem Maßstab wieder aufgebaut während die Kirche ihre ursprüngliche Form und Größe behielt. Beide Gebäude waren durch eine kleine Seitentür im Turmraum miteinander verbunden.

Marienfließ Kloster

Durch einige Jahrhunderte hat dann dieser ehrwürdige Bau seine Form innen und außen behalten. Dann aber wurden nach langer Pause Ausbesserungsarbeiten notwendig. Die Regierung hatte ein großes Interesse an der Erhaltung und Pflege dieser historischen Kirche und führte 1931/32 eine kostspielige Renovierung unter Leitung des Baurats und Kirchenrestaurators Fey durch. Die Kirche erhielt zugleich Heizung und Licht was in Dorfkirchen derzeit noch nicht allgemein üblich war. Bleiverglaste Fenster und Beleuchtungskörper wurden von Geschäftsleuten, vom Bürgermeister und vom Gutsherrn gestiftet. Der Turm wurde wegen Einsturzgefahr 1886 abgetragen und einige Jahre später neu errichtet. Im Jahre 1938 erhielt er die heutige Form mit Kupferabdeckung. Aus seinen oberen Luken konnte man weit ins Land - bei klarer Sicht den Turm der Marienkirche in Stargard - sehen.

Wie in der ersten Zeit seit Bestehen des Klosters die Nonnen für die Ausstattung ihrer damals katholischen Kirche sorgten, so taten es die späteren Klosterinsassinnen auch für das umgestaltete evangelische Gotteshaus. Elisabeth von Podewils war die 1. Priorin des evangelischen Klosters und Nicolas Wegner erster lutherischer Geistlicher in Marienfließ. Um 1600 war dann auch Sidonie von Borcke dort viele Jahre bis zu ihrer Verbrennung Priorin. Als "Klosterhexe"  ist sie der Nachwelt bekannt geblieben.

Marienfließ Luftbild 2006

Klosteranlage Marienfließ - Luftbild von 2006

Als das Klosterinnere eine grundlegende Änderung durch den Umbau der Klosterzellen zu Wohnungen erfuhr, bekam die Kirche auch die zweite Orgel. Die erste war etwa 1718 von den Klosterinsassen und dem Stiftshauptmann gestiftet. Die neue Orgel stand dem Altar gegenüber auf dem "Klosterchor". Dort hatten die Stifts- oder Klosterdamen seitlich des Kirchenschiffes ihre Stammplätze. Wertvolle Geschenke der Stiftsdamen waren die sehr schöne Kanzel in Barockschnitzerei auf einer Mosesfigur stehend. Sie wurde 1726 von einer Priorin von Strauß geschenkt, deren Familienwappen über der Kanzeltür angebracht war. Der Tauftisch aus Holz ist im Renaissancestil verziert und zeigt gemalte Wappen der Stifter aus den Familien v. Wedel und Schönebeck. Kleine Ölgemälde sind daran zu sehen. Taufkanne und Teller sind ebenfalls Geschenke von Klosterinsassen.

Ein seltener Schmuck der Kirche ist das Epitaph über dem Bauernchor, aus Holz geschnitzt; es zeigt in bunter Bemalung einen Herrn v. Thun mit seiner Familie, dem zum Andenken es gewidmet ist. Noch älter ist der Altarschrein aus dem 16. Jahrhundert mit einer besonders wertvollen Reliquie. Er hat Renaissanceformen und Schnitzfiguren nach mittelalterlichem Muster. In einem der Schubfächer befand sich ein stark im Zerfall begriffener, vergilbter, aufgerollter Leinenstreifen, von dem gesagt wurde, es sei das Wickelband Jesu gewesen.

Vieles hat sich leider in unserer schönen Kirche jetzt verändert. Die reich geschnitzte Altarumrandung ist nicht mehr vorhanden. Ebenso ist das dreiteilige Altarbild, das in der Mitte die Kreuzigung, rechts die Gefangennahme und Abnahme vom Kreuz, links die Geißelung und Jesu in Gethsemane zeigte, nicht mehr vorhanden. Das gilt auch von den drei Zinnleuchtern, eine Stiftung von drei Schwestern Wachholz aus dem Jahre 1701. Es würde zu weit führen, die sehr reiche Ausstattung einzeln zu schildern. Der wertvolle Abendmahlskelch wurde etwa 1920 gestohlen. Der Diebstahl wurde durch die Polizei aufgedeckt und die Kirche erhielt ihr Eigentum zurück. An den Emporen hängen jetzt verwelkte Kränze mit roten Schleifen zum Gedächtnis polnischer Feiertage. Im Kloster wohnt der katholische Geistliche. Die Orgel ist verstummt, da auch die Zinnflöten entwendet wurden. Die kleine Kirchenglocke, die 1825 gestiftet wurde, ruft dort noch regelmäßig zum Gottesdienst.

Marienfließ Kirche

Marienfließ 2011

Zum letzten Male saß auch an jenem letzten Sonntag im Februar 1945 mein Vater, Kantor Klatt, 80jährig, auf seiner geliebten Orgelbank. Die letzte Stiftsoberin, Margarete Hahn, und die Stellvertreterin Selma v. Goddenthow weilen nicht mehr unter den Lebenden. Manch einer, der sich um die Kirche verdient gemacht hat, ist schon dahingegangen. Wir Lebenden wollen weiterstreben, wie bisher, in nimmermüdem berechtigten Hoffen.

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