Eine Kahnfahrt auf der Ihna zum Stadtwald (1938)

Ernst Ganzke
Schwabengäßchen 1
76437 Rastatt
07222 788155

Ernst Ganzke

19.2.2010

Diesen Bericht (5 Seiten) können Sie hier im pdf-Format drucken.

Doch nun zu einer ganz anderen Begebenheit. An einem Wochenende, Petrus meinte es mal wieder bestens mit seinen Stargarder Jungens, trafen wir zu fünft auf dem Spielplatz zusammen. Was wollen wir bei dem herrlichen Wetter beginnen, fragte einer? Nach kurzer Beratung fiel der Entschluss, wir machen eine Kahnfahrt auf der Ihna. Wir gehen zu Rode´s Bootsverleih und mieten uns einen seiner Kähne. Damit machen wir eine Ruderpartie zum Stadtwaldrestaurant und zurück. Das war ein Wort. Wir hatten ja alle unseren Sonntagsanzug an und marschierten zum Blücherplatz. Die Stimmung war natürlich hoch, denn so eine Kahnfahrt war ja für uns etwas Neues. Also, die Bergstraße hoch, über den Gerichtsplatz, in die Hindenburgstraße hinein, an der Heiliggeist Kirche vorbei, dann die Ihnastraße hinunter, über den Blücherplatz und ran an die Ihna. Einer der Familie Rode saß immer da. Er kannte schon unseren Wunsch. Und freundlich, wie er nun mal war, gab er uns eines seiner besten Boote. Das sagte er natürlich jedem Kunden. Außerdem, seine Kähne waren ja alle soweit in Ordnung Wie schon erwähnt, wir waren zu fünft. Vier Mann durften rudern und einer saß am Steuer. Doch bevor es so weit war, mussten wir erst mal einsteigen und Platz nehmen. Das war noch nicht einmal so einfach, denn das Boot schwankte nicht schlecht und freiwillig Baden gehen wollte auch keiner. Aber hier war es der Herr Rode, der das Einsteigen überwachte und uns genau sagte, wie wir am besten und trockenen Fußes in das Boot kommen können. Ich denke, wir haben uns alle nach seinen Worten gerichtet, denn bald saßen wir wie die alten Seefahrer im Kahn.

Rudern auf der Ihna

Doch nun sollte es losgehen. Jeder hatte seine Position bezogen, seine Ruderkelle in der Hand und nach rechts bzw. links ausgelegt. In welcher Richtung wir sitzen müssen, hat uns der Herr Rode bereits klar gemacht. Dass man aber trotzdem noch in die verkehrte Richtung gelangt und sich auch noch auf der Stelle dreht, das hat sich der Bootsverleiher sicher auch nicht vorgestellt. Aber er konnte ja nicht ahnen, was da für Seeleute sein armes Boot vergewaltigen wollen. Nun, wir hatten unseren Spaß und das sollte ja auch das Ziel unserer Fahrt sein. Auf dem Weidensteig standen bereits einige Passanten, die sich vor Lachen bald nicht halten konnten. Ratschläge flogen hin und her. Doch die fünf Bootsleute waren zu dusselig. Aber mit einem Mal hat es dann doch noch geklappt. Das Wasserfahrzeug mitsamt dem menschlichen Inhalt glitt plötzlich davon. Und sogar in die richtige Richtung. Schön gemütlich, mit gleichmäßigen Zügen schob sich der Kahn am Blücherplatz vorbei, vorbei auch am Blüchergarten, wo uns freundliche Menschen beim Kaffeetrinken begrüßten. Und dann ging´s auch schon unter der Ihna Straßenbrücke hindurch. Gut drei km lagen vor uns bis hin zum Stadtwald und auch drei km wieder zurück. Doch was soll´s gekniffen wird nicht. Rein in die Riemen und ab dafür. Vor uns lagen sämtliche Stargarder Badeanstalten. Zunächst einmal mussten wir durch den Ersten Stargarder Schwimmverein hindurch. Da es Sonntag war, waren die Schwimmer hier zahlreich vertreten. Wir mussten also vorsichtig und doch zügig hindurch fahren. Kaum waren wir dort hindurch begann auch schon die Kaseburg´sche Schwimmanstalt Hier war natürlich auch ganz schön Betrieb. So allerhand Jungen und Mädchen tobten sich im Wasser aus. Doch nun kamen wir in den Bereich des Städtischen Freibades. Hier hatte man uns schon vorher gewarnt, gut aufzupassen, denn hier hängt man sich gern an die Seite und schaukelt am Boot. Nun, wir kamen gut hindurch und hatten nur noch die Militärbadeanstalt vor uns. Hier herrschte allerdings Ordnung, es gab auch keine Belästigungen. So durchfuhren wir auch bald die Eisenbahnlinie Stargard - Freienwalde.

Stadtplan Stargard 1938 Ausschnitt
Polnischer Stadtplan Stargard Ausschnitt


Auf dem deutschen Stadtplan von 1938 können Sie den ersten Teil der Ruderpartie verfolgen. Auf dem aktuellen polnischen Stadtplan sehen Sie den zweiten Teil mit dem Zufluss des Großen Krampehl von rechts und der Faulen Ihna von links.

Darstellung mit freundlicher Genehmigung von www.pharus.eu

Gut ein Drittel unserer Strecke hatten wir nun bereits hinter uns. Nun ging es durch Wiesen und Felder. Eine schöne Ruderstrecke lag noch vor uns Wir spürten auch schon langsam unsere armen, müden Knochen, die so etwas ja gar nicht gewohnt waren. Doch endlich hatten wir die Werderfelder hinter uns und die Einmündung des Großen Krampehl lag vor uns. Noch hatten wir Ruhe, noch konnten wir uns hängen lassen. Doch bald waren wir bei der Hirtenwiese, hier begann der Fußweg, direkt an der Ihna entlang. Dort gingen die Fußgänger bzw. Spaziergänger zum Stadtwaldrestaurant, da hieß es dann wieder: Keine Müdigkeit vortäuschen. Dort kommt dann auch die Faule Ihna von rechts. Nun waren ungefähr noch 800 m bis zum Restaurant. Kurz davor kommt noch der Hauptabzugsgraben von rechts und fließt in die Ihna.

Doch dann war es so weit. Unser Schiff hat sein Ziel zunächst erreicht. Jetzt konnten wir anlegen und unser Gefährt für ein paar Minuten verlassen. Ein Bierchen oder auch zwei waren jetzt wirklich willkommen. Diese genehmigten wir uns auch. Große Freude kam über uns ob unser Leistung, die wir doch eigentlich ohne Murren und mit Humor bis hierher vollbracht hatten. Aber wir hatten ja noch die Heimfahrt vor uns und die Herfahrt hat uns, ehrlich gesagt, doch ganz schön geschlaucht.

Stargard Stadtwald Waerterhaus

Doch was soll's, wir tranken unsere Bierchen und starteten die Heimfahrt. Mit einem Liedchen auf den Lippen stiegen wir wieder ins Boot, zogen unsere Jacken wieder aus und legten sie auf einen freien Platz und nahmen unsere Positionen wieder ein. Zum Staunen der Passanten, die unsere Abfahrt verfolgten, schmissen wir uns kräftig in die Riemen und schossen mit unserem Boot davon. Doch kaum hatten wir den Ihnabogen mit der Krampehleinmündung im Rücken, so dass wir außer Sicht waren, da übermannte uns schließlich doch wieder die Müdigkeit. Wir ließen die Ruder schleifen und uns von der Strömung, die ja in der Ihna nicht gerade stark ist, ein wenig treiben. Natürlich hatten wir auch dabei unseren Spaß. Junge Leute lachen doch fast über alles. So lief unser Kahn nur langsam dahin. Die Kräfte wollten wir doch konservieren für die Fahrt durch die Badeanstalten. Und so machten wir es dann auch. Singenderweise saßen wir in unserem Nachen und schaukelten uns Meter für Meter den Badeanstalten entgegen. Doch dann, unter der Eisenbahnbrücke ging ein Ruck durch die Truppe und die Riemen wurden kräftig durchgezogen. Mit diesem frischen Schwung durchfuhren wir alle vier Bäder. Danach nochmals ein kleiner Verschnaufer, bevor wir unter der Werderbrücke hindurch fuhren und kurz darauf in Rode's Hafen einliefen.

Natürlich haben die Fahrt wir gut überstanden, wir waren doch Kerle, oder wollten´s wenigstens sein. Frisch stiegen wir aus, als wären wir mal eben bisschen spazieren gefahren. Doch die Wirklichkeit sah etwas anders aus. Blasen an den Händen, Beine schwer wie Blei, das Kreuz etwas verbogen, aber ansonsten war man gut dabei. Es war eine herrliche Kahnpartie, unvergesslich für fünf junge Herrn. Sie kehrten zwar heim mit wackligen Knien, aber sie taten es dennoch gern. Das war ganz sicher ein Ereignis, das man nicht so schnell vergessen kann.

 

zurück zum Inhaltsverzeichnis