Stargarder Stadtrechtsverleihung 1243

Aus Heinz-Jürgen Torff - 2009 "Erinnerungen an Stargard in Pommern"

Über die Verleihung der Stargarder Stadtrechte lesen wir in den neuen pommerschen Geschichtspublikationen oft das Datum „1253" statt der wirklichen Stadtrechtsverleihung am Tag des Johannes 1243 durch Barnim I. Die mit einigen Ausnahmen auch aus der ehemaligen Landeshauptstadt Stettin stammenden neuen Schreiber über pommersche Geschichte und ihre oft nicht mehr urkundlich nachzuweisenden Daten und Begebenheiten aus ehemaligen Archiven sollen den Weg der geschichtlichen Wahrheit nicht in Frage stellen. Sie halten es für eher unwahrscheinlich, dass Barnim I. nur vierzehn Tage nach der Stettiner Stadtrechtsverleihung Stargard ebenfalls zur Stadt erhoben hat.

Stadtrechtsverleihung

Viele Geschichtsschreiber, die über Pommerns mittelalterliche Geschichtsabläufe berichteten, erwähnten stets das Jahr 1243 für die Stargarder Stadterhebung. Sollte da etwa die seit Hunderten von Jahren rivalisierenden Städtestreitigkeiten eine ihren Wurzeln bis in unser heutiges Jahrhundert Nahrung gefunden haben oder war die Ursache die von den alten Stettiner Räten nie akzeptierte verbriefte Zollfreiheit der Stargarder Schifffahrt „...über und unter der Ihna bis an das Salzmeer...," ohne den Stettiner Zoll abzugeben ? Barnim I. hatte zu seiner Regierungszeit einigen pommerschen Städten und oft davor auch ritterlichen Familien Privilegien sehr freizügig per Urkunde garantiert und verliehen, die später sich als Ursache der oft nicht einfachen teils kriegerischen Auseinandersetzungen herausstellten. Der sog. „Aalkrieg" zwischen dem Stargarder Rat und dem Rittergeschlecht derer von Wedel auf Cremzow wie auch die Fehde zwischen Stettin und Stargard ob der feindlichen Schließung der freien Ihna-Ausfahrt bei Ihnamünde durch die Stettiner wurden von den herzoglichen Gerichten nie endgültig mit einem Urteil belegt. Sie respektierten einfach die vertraglichen und verbrieften Rechte der Stargarder durch den Landesfürsten nicht. Die damals teils sehr reichen           pommerschen Handelsstädte und Stände steigerten auch in Richtung des Landesfürsten ihren politischen Einfluss, aber auch in Konkurrenz untereinander, was nicht immer zum Wohle des Pommernlandes war. Da aber Stargard 1243 nicht mehr direkt dem Eingriff Barnims (Teilung zum Bistum Wolgast) unterstand, vermuteten die derzeitigen Schreiber freudig das Jahr 1253 als Stadtrechtsverleihung, also zehn Jahre nach dem Stettiner Stadtrecht und nicht etwa im gleichen Jahr.

Stadtrechtsverleihung

Dass dem aber nicht so ist, kann nachgelesen werden bei Johann Jacob Sell, Stettiner Professor der Geschichte, Königlich-Preußischer Schulrat, Direktor des Gymnasiums zu Alt-Stettin, in seinem Werk „Geschichte des Herzogtums Pommern" von den ältesten Zeiten bis zum Tode des letzten Herzogs oder bis zum Westfälischen Frieden 1648.

Wenn auch nach gemeinsamem Landesrecht die Teilung Pommerns durch die Söhne von Bogislav II. und Sasimir II., Barnim I. und Wartislav ebenso vollzogen wurde wie bei ihren Vätern, so war doch Barnim I. als der Hauptfürst stets angesehen worden, also auch in gesamtlandeshoheitlichen Entscheidungen wie Stadtrechtsverleihung u. a. Erst 1295 kam eine echte Teilung unter den Söhnen Barnims I. zustande, doch blieb die Regierung des ganzen Landes laut Familienvertrag gewisser Maßen zusammen. Beide Fürsten verpflichteten sich, ohne gegenseitige Einwilligung keine dem Lande schadende Entscheidung alleine zu vollziehen.

StadtrechtsverleihungDer Stettiner Paul Stein, früher in vielen pommerschen und Stettiner Gremien als 1. Vorsitzender mit viel Umsicht bekannt, schrieb in seiner Funktion 1994 als 1. Vorsitzender der Pommern in Frankfurt am Main zum „750 Jahre Stargarder Stadtrechts-Geburtstag" dem Chronisten u.a.: „Sie waren zu allen Zeiten Rivalen, Stargard und Stettin. Die beiden Städte haben viel Gemeinsames im Laufe der Geschichte erlebt, aber gerade das war wohl die tiefere Ursache für ihre Rivalität." Am 3. April 1243 erhielt Stettin Magdeburger Stadtrecht durch den Pommernherzog Barnim I. Zwei Monate und drei Wochen später wurde die gleiche Auszeichnung Stargard zuteil. War der Herzog der einen Stadt wohl gesonnen, reklamierte die andere, ja man ließ auch offene Fehde nicht aus. Stargard schloss sich der Hanse an und gewann an Reichtum und Macht. Auch Stettin ging diesen Weg.

Stadtrechtsverleiung

Aus der Stargarder Stadtchronik lesen wir 1361: Im 14. Jahrhundert galt die mächtige Stadt als stärkste Rivalin Stettins - sie wurde den pommerschen Herzögen bei ihren Kämpfen mit dem rebellischen Adel ebenso unentbehrlich wie der Hanse bei ihren Seezügen gegen die Vitalienbrüder. Zum Ausgleich verdanken die Stargarder ihr Wahrzeichen, das Mühlentor, das auch ihr Stadtwappen ziert, einem Stettiner, Nicolaus Kraft. Die Geschichte Pommerns und die seiner Hauptstadt wurde von Martin Wehrmann niedergeschrieben, einem Lehrer in Stargard am Gröningianischen Gymnasium. Der Dreißigjährige Krieg war für beide Städte eine schwere Prüfung. Im Westfälischen Frieden wurde Stargard Landeshauptstadt für Hinterpommern; Stettin und Rügen wurden den Schweden zugesprochen. Erst im Frieden zu Stockholm erhielt Preußen Stettin und Vorpommern bis zur Peene. Damit verlor Stargard seine Hauptstadtprivilegien.

Das Technische Zeitalter hinterließ bald seine Spuren - 3 Jahre nach Eröffnung der Eisenbahnlinie Berlin - Stettin wurde 1846 die Strecke nach Stargard verlängert.

Drei Dinge sind aber bis heute geblieben, die Stargard Stettin voraushat:

  1. Die mittelalterliche Befestigung der Stadt mit Mauern und Türmen ist, trotz der Zerstörung durch die Rote Armee 1945, auch heute noch der Stolz der Stargarder. Stettin hat nur den Siebenmantelturm und die zwei Prunktore, die Friedrich Wilhelm I. den Stettinern 1720 zur Rückgewinnung geschenkt hatte.
  2. Dr. Mampes Bittere Tropfen, der Stargarder Mampe, war weit über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt, obwohl die Stettiner auch heute noch gern ihren Schitlotem trinken.
  3. Der 15. Grad östlicher Länge von Greenwich verläuft über Stargard. Den können die Stettiner nicht verlegen.

Gratulation und alle guten Wünsche für Stargard, das auch heute noch seinen Namen behalten hat.

zurück zum Inhaltsverzeichnis