Die Stargarder Bürgermeister

Heinz-Jürgen Torff, Ehrenvorsitzender vom Heimatkreis Stargard, 2006

Im Jahr 1243 verlieh Herzog Barnim I. seiner Stadt Stargard (civitatem nostram Stargadensem) das Magdeburger Stadtrecht. In den folgenden Urkunden ist schon bei der Anrede zur Stadt von „Rathmannen und Bürgern" die Rede.

Vor der Verleihung der Stadtrechte hatten die Bewohner kein anderes politisches Gebilde als die Beamten der herzoglichen Verwaltung. Hier führte der herzogliche Kastellan und dessen Beamte die Gerichtsbarkeit, erhob die Steuern und andere Abgaben und Leistungen; sowie bestimmte und befehligte er im Kriegsfall das Aufgebot für die Verteidigung. Viele der Land besitzenden adligen Familien um die neue Stadt Stargard herum gewannen jetzt in dieser Stadt ein Bürgerrecht. Mitglieder dieser Familien saßen auch im Rat der Stadt und nahmen so Anteil an deren Geschick. Die Familien derer von Wedell, von Pansin, von Günthersberg, von Borcke, von Steglitz u.a. waren schon begütert. Sie hatten ihren Besitz um den der Stadt vom Herzog verliehenen 150 Hufen Landes einschließlich der 14 Eigentumsdörfer vergrößern können. Einer der v. Wedell war lange Zeit im Auftrag des Herzogs als Vogt in der Stadt Stargard, um hier herzogliches Recht durchzusetzen.

Bürgermeister Peter Gröning

Das Peter-Gröning-Gymnasium trug den Namen seines Stifters.
Der Stargarder Bürgermeister Peter Gröning gründete es 1633 als Gröningsches Kollegium

Die neuen Städte in Pommern wuchsen, wurden reicher durch Fleiß und Handel. Ihr Aufstieg wurde oft mit Argwohn der benachbarten Herrscher beobachtet. Die Stadt brauchte daher tüchtige und umsichtige Rathmänner, um die Interessen und die gute Nachbarschaft der Städte untereinander zu vertreten. Bogislaw IV. begünstigte die Städte und verlieh ihnen neue Privilegien. Im Jahre 1311 bestätigte er den Inhalt der Stargarder Gründungsurkunde sowie den der Urkunden aus den Jahren 1289 und 1291 (Verleihung der Priemhausener Heide). 1399 verlieh Bogislaw VIII., gegen honorige Zahlungen des amtierenden Bürgermeisters Uckermann und anderer betuchter Bürger der Stadt, auf „ewige Zeiten" die Halsgerichtsbarkeit und zog den herzoglichen Vogt ab. Den deutschen Bürgern stand jetzt die Mitwirkung bei der Rechtsprechung in Dingen der Blutgerichtsbarkeit und die Verwaltung ihrer Stadt durch freie Wahlen der Rathmänner zu.

Die ersten Bürgermeister und Kämmerer der Stadt werden uns zum Jahr 1280 in dem leider nicht mehr vorhandenen St. Johannis-Kirchenbuch von 1612 namentlich genannt. Analog zu anderen Stadtgründungen erhielt unsere Stadt Stargard, mit dem Magdeburger Stadtrecht bewidmet, zunächst einen deutschen Vogt mit Schultheiß und Schöffen. Nach dem Ende der Kastellanherrschaft der Familie von Huckes und dem Wegfall der Gerichtskosten, über die die Familie von Huckes verfügen konnte, habe diese die neuen deutschen Bürger der Stadt geschädigt.

Der Sage nach habe einer der ersten deutschen Bürgermeister den letzten Kastellan von Huckes in die Stadt gelockt und dann öffentlich auf dem Marktplatz hingerichtet. Bogislaw IV. sei über diesen Akt der Stargarder sehr erzürnt gewesen, und um seiner Rache zu entgehen, hätten 1280 die Stargarder ihre Stadt kurzfristig unter den Schutz der Brandenburger gestellt. - Noch am Anfang des 19. Jahrhunderts fand man einen alten Dolch im Rathaus, der früher einem Huckes vom Huckfeldt gehört haben sollte.

1292, nach Übernahme des Lübischen Rechts, sicherte dieses eine Rechtshilfe aller Städte gleichen Rechtes. Es sicherte die Gleichstellung der Kaufleute im Handel und bildete auch die Grundlage des Hanse-Bündnisses. Das öffentliche Recht wurde gestärkt, die Macht der Städte lag jetzt in den Händen einer eigenen Behörde und war ein geschriebenes Recht. Schon am Ende des 13. Jahrhunderts ergänzte sich der Rat der Stadt Stargard aus den Genossenschaften der Gilden der vornehmsten Kaufleute.

Bürgermeister Pehlemann

Mit Amtskette und Verdienstorden:
Pehlemann Oberbürgermeister,
Ehrenbürger Stargards
und Förderer der Johanniskirche

An der Spitze des Rates standen jetzt drei bis vier Proconsules (Bürgermeister), die jährlich im Vorsitz wechselten. Das damals beträchtliche Stadtvermögen verwalteten drei bis vier Kämmerer, die ebenfalls wechselten. Die Anzahl der Rathmannen (Consules), heutige Stadtverordnete, war beträchtlich. Sie wurden zwar auf Lebenszeit gewählt, wechselten aber in aktive und nicht aktive Rathmänner (die Alten), die wiederum zu wichtigen Beratungen hinzugezogen wurden und dann auch wieder stimmberechtigt waren.

Von den Stargarder „Rathmannen" sind nur noch wenige Namen bekannt geblieben. So werden z. B. Angehörige der alten Stargarder Familie Maskow (Jürgen und Georg) in alten Verträgen, Stiftungen von Kapellen oder Altären von St. Marien und St. Johann erwähnt. Zum damaligen Stadtschreiber (notarius civitatis) wählten die Rathmannen meist einen Geistlichen. Er war Protokollführer in Ratssitzungen, Verwalter des Stadtarchivs und Verfasser amtlicher Schreiben, z. B. Urkunden - also ähnlichen Aufgaben eines heutigen Stadtsyndikus. Einige von ihnen stiegen dann in die höchsten Positionen auf, wie zum Proconsul oder gar, wie einmal geschah, zum Camminer Domherr.

Von den Namen der Stargarder Bürgermeister und Landräte (Abgeordnete der Stadt zum Pommerschen Landtag) zählt der Geschichtsschreiber Dr. G. Kratz in „Die Städte der Provinz Pommern" bis 1864 eine Liste von ehrenwerten Namen der Stadtregierenden von wohl 150 Personen auf. Diese Aufzählung nennt auch den Namen des wohl ersten „Oberbürgermeisters" der Stadt, Philipp August Weyer (1818 bis 1844), sowie den G. Ch. Teskes, in dessen Amtszeit 1848 die erste öffentliche    Stadtverordnetenversammlung fiel. Die Aufzeichnung endet mit der Amtszeit von Leo Delsa 1864.

All die Aufgaben wie die Teilnahme Stargarder Bürgervertreter an Hansetagen, pommerschen Landtagen, Städtekonferenzen, die Verantwortung, und der Vorsitz in Polizei- und Sicherheitsaufgaben, die Durchführung von Gerichtsprozessen der Stadt, der peinlichen Gerichtsbarkeit, 1443 die Aufsicht über die neue Münzgerechtigkeit und die Verwaltung der 14 Eigentumsdörfer verlangten Verantwortung und politisches Handeln, aber auch oft längere Abwesenheiten und Arbeitsteilung der gewählten Bürgermeister der Stadt.

Die Namen der ersten Bürgermeister beginnen mit Dr. Kratz. Gemeinsam mit Bernhard Möller, Conradus Stucke und Johannes Parsow wurde er 1329 in sein Amt berufen. Einige Bürgermeister und Landräte entstammten dem Adel, andere, wie Joachim Meweß (Mevius auch Mäwius) wurden von Kaiser Ferdinand I. geadelt. Der Stargarder Landrat J. Volkmann wurde von Friedrich I. in den Adelsstand erhoben. Denken wir auch an die wohl bis in die heutige Zeit noch bekannten Bürgermeister Joachim Appelmann (1579) und Peter Gröning (1631) sowie an die begüterte Familie derer von Mildenitz, die vier Mal den Stargarder Bürgermeister stellte, so kann man mit Fug und Recht bis heute noch stolz auf die Persönlichkeiten sein, die die Stargarder Stadtgeschichte nachhaltig prägten und uneigennützig gestaltet haben.

1539 wurde die Matrikel (Verzeichnis) der Kirchengüter angelegt. Die Besitzungen des Augustiner-Klosters wurden von der Stadt eingezogen, die Johanniter gaben ihr Patronatsrecht über die Kirche auf. Die beiden Kirchenschulen (St. Johann und St. Marien) wurden zu einer Ratsschule vereinigt.

Nach dem Westfälischen Frieden (1648) fiel Hinterpommern an Preußen und Stargard wurde Hauptstadt. Mathias Beteke war zu dieser Zeit Bürgermeister und Wilhelm Engelke (I.) der Landrat. Die Versammlung des Rates wurde nun unter preußischer Herrschaft zur Stadtverordnetenversammlung. Oberbürgermeister Pehlemann löste Leo Delsa ab. 1893 wurde in seiner Amtszeit der Johanniskirchturm, mit 99 Meter der höchste Turm Hinterpommerns, wieder neu errichtet und mit einer Kuppel und dem sechs Meter hohen Kirchenkreuz abgeschlossen. Diese Kuppel wurde aus Sicherheitsgründen 1996 von polnischen Gebäude-Alpinisten geöffnet und wieder geschlossen. Ein geschichtlicher Fundus über Kirchen- und Stargarder Stadtgeschichte konnte dabei unversehrt geborgen werden.

Richard Schröder, aufgrund seiner besonderen Verdienste für die Stadt 1907 zum Ehrenbürger ernannt, bekam von Kaiser Wilhelm II. per Urkunde den Titel eines Oberbürgermeisters verliehen. Im Jobst-Viertel wurde die Schröderschule gebaut, der neue Stadtwald angekauft, Stargard zum Stadtkreis ernannt. Hinzu kam der Neubau des Landratsamtes (heutiger Sitz der polnischen Stadtregierung), die Gründung der Kreissparkasse und die wundervolle Erneuerung des Haupt- und Südportals von St. Marien.

Der ihn ablösende Oberbürgermeister Albert Kolbe, 1907-1936, hatte wohl die längste Amtszeit eines OB in Stargard inne. Als Magistratsassessor zum Oberbürgermeister aufgerückt war Kolbe kein Fremder in dem ca. 90 Meter langen Rathaus, dessen schöner Frontgiebel mit dem barocken Muster, dem neuen heraldischen Stadtwappen, Sitz der Stadtregierung, der Polizei und dem Standesamt sowie mit Ein- und Ausgängen zum Markt und zur Großen Mühlen-Straße ausgestattet war. In die Amtszeit von OB Kolbe brach bald der Erste Weltkrieg aus, dann folgte die Weimarer Republik mit der großen Arbeitslosigkeit und der Inflation, sowie der Beginn vom „Dritten Reich". Das Flüchtlingsproblem aus dem ehemaligen Westpreußen und die plötzliche Einwanderung von Juden aus dem östlichen Europa auch nach Stargard zu Anfang der zwanziger Jahre, brachten der Stadt Probleme in vielfacher Hinsicht. Die städtischen Finanzen und der vorhandene Wohnraum reichten jetzt nicht mehr aus. Etwa 6000 Personen kamen in wenigen Jahren in die Stadt, ein Zuwachs von 27 Prozent der Stadtbevölkerung.

Oberbürgermeister Kolbe ordnete Zwangseinquartierung und Notstandsprogramme an, um im Moment der Probleme Herr zu werden. Ein Teil der deutschen Flüchtlinge, die Stargarder nannten diese damals Asylanten, fand auch Arbeit und Brot im Stargarder RAW der Bahn. Der Dringlichkeit angemessen wurde schnell ein Wohnungsprogramm eingeleitet. Die neuen Siedlungen mit einer der größten und schönsten neuen Volksschulen der Stadt mit 22 Klassen, der Siedlungsschule, wurden gebaut. Im Notprogramm entstand weiter neben anderen großen Objekten zu dieser Zeit ein acht Kilometer langer Fahrrad- und Fußweg zu beiden Seiten der Stettiner Chaussee zum Stargarder Wochen Ausflugs-Ziel: dem Madü-See. Während der Amtszeit von OB Kolbe seinem Zweiten Bürgermeister Molkentin gehörten seit etwa 1925 zum besoldeten Magistrat der Stadtbaurat Schröder sowie der Stadtrat und Kämmerer Dr. Stahlmann.

Siedlungsschule

Die 1927 errichtete Siedlungs-Schule

Viele der neuen Stadtoberen stammten jetzt schon nicht mehr aus Stargardern Familien. Nach Hitlers Machtergreifung wurde OB Kolbes Amtszeit verkürzt. Die Partei holte sich den jungen Dr. Völker aus Stettin und machte ihn zum neuen Stargarder Oberbürgermeister und Stadtrat Dr. Stahlmann rückte zum Bürgermeister auf. Für beide Politiker war es jetzt schwer, die Stadtpolitik ihrer Vorgänger im Amt so weiterzuführen. Jetzt wollte die Partei das Sagen haben. Oberbürgermeister Dr. Völker zog man während des Zweiten Weltkrieges ein und schickte ihn als Offizier an die Front. Dr. Stahlmann lenkte das Stargarder Stadtgeschick bis zum bitteren Ende im März 1945 alleine.

Es würde zu weit führen, die Schwierigkeiten alle aufzuzählen, die die Stargarder NSDAP-Kreisleitung ihm und seiner Familie in den letzten Kriegsjahren bereitete. Nur eines ist noch anzumerken, dass er sein Amt versuchte ohne Fehl und Tadel für die Stargarder Stadtbevölkerung bis zuletzt zu führen. Er wurde von der Sicherheitspolizei in den letzten Tagen im Dachgeschoss seines Rathauses eingesperrt und in Stettin der Gestapo vorgeführt, nur weil er bei einer Entscheidung zum Überleben anderer nicht vorher die Partei konsultierte. Bürgermeister Dr. Stahlmann brauchte schon starke Nerven in dieser hektischen Endkriegszeit, um selbst nicht nur politisch zu überleben.

Rückblickend kann man nach Durchsicht der noch vorhandenen Unterlagen für die Stadtoberen, - ob Proconsul oder Bürgermeister -, über die Jahrhunderte feststellen, dass sie stets versuchten ihr Amt im Sinne und zum Nutzen ihrer Stargarder Bürger in ihrer jeweiligen Zeit uneigennützig und in voller Verantwortung nach Recht und Gesetz zu führen. Ich meine, dass die Erlebnisgeneration der Stadt Stargard in Pommern auch heute noch mit Stolz auf die Leistungen ihrer Stadtväter und Stadtverordneten zurückblicken kann.

Quellen:

Dr.Kratz "Die Städte der Provinz Pommern"

Böhmer "Geschichte der Stadt Stargard in Pommern"

Bilder Heinz-Jürgen Torff

zurück zum Inhaltsverzeichnis