Kutschwagen- und Karosseriebau Carl Brombach

Wohltorf, den 14. Juli 2014
Renate Brombach
Alte Wiese 1a
21521 Wohltorf
Tel.: 04104 7262
E-Mail:rum.brombach@t-online.de

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Ich habe mich einmal hingesetzt und aus meiner Erinnerung das aufgeschrieben, was meine Eltern über ihre Heimatstadt Stargard und die Flucht berichtet haben. Meine Schwester Margit Brombach und ich lesen die Stargarder Jahresblätter mit großer Freude. Auch wenn wir überhaupt keine Erinnerung an unsere Heimatstadt haben, haben wir doch heimatliche Gefühle beim Lesen.

Im Stargarder Jahresblatt 16/2007 Seite 57/58 ist ein erster Kurzbericht von mir veröffentlicht worden. Gerne möchte ich aber alles, was meine Eltern erzählt haben, aus meiner Erinnerung schriftlich niederlegen.

Unser Familienbetrieb in der Großen Mühlenstrasse 30 wurde von meinem Großvater Carl Brombach an dieser Stelle 1918 als Kutschwagenbau gegründet. Carl Brombach, verheiratet mit Bernhardine Brombach geb. Rühlow, hatte 3 Söhne, Walter, Ernst (mein Vater) und Kurt. Walter Brombach hat Stargard bereits in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts verlassen und ist in Hannover sesshaft geworden, verheiratet mit Dora Brombach geb. Schröder. Sie haben eine Tochter Ingeburg, geboren 1933. Kurt Brombach, kinderlos verheiratet mit Elisabeth (Geburtsnamen weiß ich leider nicht), war seit Sommer 1942 Soldat. Er ist im Krieg vermisst und auf Antrag seiner Frau für tot erklärt worden.

Mein Vater Ernst Brombach und mein Onkel Kurt Brombach haben den Betrieb von ihrem Vater (mein Großvater ist bereits 1931 gestorben) übernommen und gemeinsam fortgeführt. Sie haben ihn erheblich ausgebaut und zu einem erfolgreichen Karosseriebetrieb gemacht. Mein Vater hat am 13.4.1941 Hildegard Kieckhöfel, geboren in Naugard, geheiratet. Am 9.3.1942 wurde ich (Renate) geboren, am 9.12.1943 meine Schwester Margit. Mein Vater ist im Jahr 1976 in Hannover gestorben, meine Mutter im Jahr 1994 in Hamburg. Mein Onkel Walter Brombach ist 1985 in Hannover gestorben.

Meine Mutter war gelernte Fleischerfachverkäuferin. Sie ist 1938 nach Stargard gekommen und hat bei Fleischermeister Arthur Müller, Große Mühlenstraße 28 als Verkäuferin gearbeitet. Mein Vater war auch mit der Familie Müller befreundet. So haben sich meine Eltern kennengelernt.

Alles, was ich nachfolgend über die Flucht schreibe, beruht auf Erzählungen meiner Eltern, die ich jetzt doch schriftlich festhalten möchte, soweit meine Erinnerung mitspielt.

Mein Vater war nicht Soldat, unser Betrieb war zum kriegswichtigen Betrieb erklärt worden. Außerdem war mein Vater wegen seines verkrüppelten Arms kriegsuntauglich.

Im Februar 1945 hat mein Vater meine Mutter und uns Kinder nach Naugard geschickt. Unser Großvater mütterlicherseits hatte eine Spedition. Gemeinsam mit ihrem Vater und ihrem Bruder Walter mit Familie sind wir im Möbelwagen aus Naugard geflüchtet. Die erste Zwischenstation war auf einem Gut bei Barth. Mein Vater blieb in Stargard, er hatte den „kriegswichtigen Betrieb" aufrecht zu erhalten. Am 3. März 1945 erhielt er dann den Befehl, gemeinsam mit den Fahrzeugbetrieben Emil Bernard (auch eine Fahrschule und ein guter Freund meines Vaters) und Kaark Stargard zu verlassen. Mein Vater hat seine letzten Stunden in der Heimatstadt wie folgt geschildert: „ Ich bin erst einmal in den Keller gegangen. Da war soviel Eingemachtes. Ich habe ein ganzes Glas Birnen aufgegessen, konnte dann aber nicht mehr essen. Dann habe ich meinen Mantel angezogen, den Hut aufgesetzt und das Haus abgeschlossen. Dann sagte ich mir, ich habe ja den Sonntagshut auf, was soll das. Ich habe das Haus wieder aufgeschlossen, den Sonntagshut abgelegt und den Alltagshut aufgesetzt. Dann habe ich das Haus erneut ordentlich abgeschlossen. Es war unversehrt einschließlich der großen Schaufensterscheibe." Soweit mein Vater ziemlich wörtlich.

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Die drei Betriebe machten sich auf in Richtung Waren/Müritz. Hier erhielten sie einen letzten Wehrmachtsauftrag (ein Scheck über 2.293,91 Reichsmark, der natürlich nicht mehr eingelöst wurde). In Waren blieben die drei Betriebe erst einmal. Hierzu folgende Begebenheit, die aus meiner heutigen Sicht völlig unwahrscheinlich ist, ich habe als Kind aber nicht weiter nachgefragt, für mich war das damals selbstverständlich: Meine Mutter und wir Kinder waren - wie gesagt - auf einem Gut bei Barth.

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Karl Hanke,bester Freund der Brüder,
Tabakwarenhandel Große Mühlenstr.29

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Eines Tages kam der Gutsbesitzer zu meiner Mutter und sagte, „Frau Brombach, Ihr Mann ist am Telefon!" Mein Vater teilte meiner Mutter telefonisch mit, dass er in Waren ist, sie möchte mit den Kindern den nächsten Zug nehmen und nach Waren kommen. Gesagt, getan, wie dies alles über die Bühne gegangen ist, kann ich nicht nachvollziehen. Immerhin muss dies im März oder April 1945 gewesen sein. Jedenfalls stand in Waren mein Vater auf dem Bahnsteig und holte uns ab. Er war total erleichtert, als ich sagte: „Papa?" Er hatte Angst gehabt, dass ich (gerade mal 3 Jahre alt) ihn nicht mehr erkennen würde. Von Waren aus gingen wir weiter auf die Flucht, die drei Betriebe mit ihren Familien. Die Familie Bernhard hatte Verwandte in Neustadt/Holstein. Deshalb ging es von Waren Richtung Norden und dann die Bäderstraße entlang, ziemlich dramatisch mit häufigem Tieffliegerbeschuss. Die drei Betriebe hatten mehrere PKWs dabei, die alle auf Holzgas umgestellt waren. Wir erreichten Neustadt Anfang Mai 1945.

Zu unseren ersten Tagen in Neustadt füge ich einen von mir verfassten Bericht bei, der in dem im Jahre 2012 vom Hamburger Abendblatt initiierten Buch „Der Kreis Stormarn schreibt ein Buch" veröffentlicht ist.

 

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Seit 1946 (mein Vater bereits seit Oktober 1945) lebten wir in Hannover. Dort haben sich meine Eltern stark in der Pommerschen Landsmannschaft engagiert und sich der von Herrn Dr. Centurier gegründeten Stargarder Gruppe angeschlossen. Nach dem Tod von Herrn Dr. Centurier ca. 1951/52 übernahm mein Vater als 1. Vorsitzender die Stargarder Gruppe, die er bis in die sechziger Jahre geführt hat. Siehe hierzu auch den Bericht von Alfred Schwichtenberg im Stargarder Jahresblatt 2012 Seite 80.

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Soweit der Bericht aus meiner Erinnerung nach Erzählungen meiner Eltern. Anlässlich meines 70. Geburtstags im März 2012 habe ich erstmals Stargard besucht zusammen mit meiner Schwester, die mit meiner Mutter bereits dreimal in Stargard war. Dies geschah jeweils anlässlich der Besuche meiner Mutter in ihrer Geburtsstadt Naugard. Meine Schwester war begeistert von der Neubebauung der Großen Mühlenstraße mit den nachempfundenen Giebelhäusern. „Jetzt kann ich mir endlich vorstellen wo unsere Häuser gestanden haben, Nr. 30 mit spitzem Giebel und Nr. 31 mit rechteckigem Giebel." Das Einkaufzentrum stand kurz vor der Eröffnung, es wurde noch eifrig gehämmert.

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1932,die Brüder Ernst und Kurt,
  in der Mitte Hermann Modrow

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Hochzeit Ernst und Hildegard Brombach geb. Kieckhöfel am 13.4.1941

Wendejahr 1945 In Neustadt geschieht ein kleines Wunder

Hamburger Abendblatt 2012: Leserin Renate Brombach über den Beginn einer Freundschaft

Es ist nicht mein Wendejahr, sondern das Wendejahr meiner Eltern und das einer Neustädter Familie. Unsere Geschichte ereignete sich Anfang Mai 1945, ein oder zwei Tage, nachdem die „Cap Arcona" am 3. Mai 1945 von britischen Fliegern in der Neustädter Bucht versenkt worden war. Wir - mein Vater, meine Mutter, meine anderthalbjährige Schwester und ich als Dreijährige - sind nach der Flucht aus Stargard/Hinterpommern in Neustadt in Holstein gelandet. An diesem Tage wurde uns eine Unterkunft im Kremper Weg zugewiesen, der damaligen Villenstraße von Neustadt. Es handelte sich um das  sogenannte Gartenzimmer im Souterrain der Villa.

Auf dem Weg dorthin sind uns Überlebende der Cap Arcona begegnet - Strafgefangene aus den Konzentrationslagern in ihrer Sträflingsanzügen. Mein Vater sagte damals: „Die stehen total unter Schock und haben nicht begriffen, dass sie endlich frei sind.".

Bei unserer Ankunft im Kremper Weg herrschte große Aufregung. Es hieß, die Engländer würden die gesamte Straße besetzen. Bis 14 Uhr müssten die Bewohner ihre Häuser verlassen. Alles was sie bis dahin aus dem Haus schaffen könnten, dürften sie mitnehmen. Teilweise wurden Betten und Hausrat aus den Fenstern geworfen. Einige Offiziere besichtigten die Häuser. Wir gingen in das uns zugewiese Gartenzimmer. Mein Vater sagte zu meiner Mutter: „Leg eine Decke über das Bett, dann sieht es schon etwas wohnlich aus." In diesem Moment kam auch ein englischer Offizier in das Haus, in dem wir einquartiert waren. Aus irgendeinem Grunde begann er seine Besichtigung im Gartenzimmer. Hier saßen wir nun: Mein Vater mit mir auf seinem Schoß, meine Mutter und meine Schwester im Kinderwagen. Der Offizier fragte, wer wir seien. Mein Vater berichtete kurz von unserer Flucht. Da stellte sich der Offizier an den Kinderwagen und betrachtete meine Schwester eine ziemlich lange Zeit. Dann verließ er wortlos das Zimmer, ging zu den Hausbesitzern und sagte: „Dieses Haus wird nicht geräumt." Es war das einzige in der Straße, das nicht von den Engländern besetzt wurde.

Meine Eltern haben den naheliegenden Schluss gezogen, dass dieser englische Offizier zu Hause auch ein kleines Baby hatte und dass er es einfach nicht übers Herz brachte, uns mit dem Kleinkind nach unserer Flucht schon wieder auf die Straße zu setzen.

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Die Hausbesitzer waren nun natürlich überglücklich, wussten aber auch, dass  es nicht ihr Verdienst war, dass sie bleiben konnten. Über unsere Einquartierung waren sie vorher natürlich alles andere als erfreut gewesen und hatten uns das sehr spüren lassen.

Doch von nun an entwickelte sich unser Leben in diesem Haus so, dass ich, die dreijährige Renate, alles durfte. Ich habe die gemeinsam genutzte Küche beim . „Abwaschen-Spielen" total unter Wasser gesetzt. Dem Ereignis am Tag unserer Einquartierung verdanken wir es, dass sich zwischen meinen Eltern und den Hausbesitzern eine zaghafte Freundschaft entwickelte. Von 1947 an wohnten wir in Hannover und haben von da diese Leute sehr oft besucht. Das Haus hatte einen sehr großen Garten. Wir haben dort wunderbare Stunden verbracht. Insbesondere für uns Kinder waren diese Besuche eine besondere Freude.

Renate Brombach

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